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Parallelgeschichten

Parallelgeschichten

Titel: Parallelgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Péter Nádas
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Tritte, immer lautere Koseworte, na, komm, wird schon, Gänschen, wird schon gut, während das Tier mit den Flügeln schlug, bis es ganz verblutet war.
    Die junge Frau verstummte für eine Weile. Federn flogen durch die Luft.
    Inzwischen war es wahrscheinlich Abend geworden.
    Und das stellt sie sich gar nicht vor, es ist eine Erinnerung, an die sie sich eigentlich nicht erinnert, wie seltsam. Schweine wurden in der Morgenfrühe, das Federvieh in der Abenddämmerung geschlachtet. Sie wusste nicht, wann der Morgen gewesen sein konnte, wenn doch jetzt Abend war. Wenn sie groß ist, will sie lieber ein Tier sein, ein Schwein oder sonst etwas.
    Nur nicht so.
    Unten im Hof war kein Lärmen mehr, die Kinder waren also schon hereinbefohlen worden. Von irgendwoher hörte man ein Radio, ein Schnitzelklopfen oder sonstige dumpfe Schläge.
    Zum Glück wurde jetzt nicht sie geschlagen. Das rohe Fleisch klatschte.
    Es war ihr Herz, das sie so laut hörte, an der Decke sah sie den stummen Widerschein des warmen Sommerabends. Doch in diesem Augenblick wurde auch klar, dass jemand im Zimmer stand. Man spürte den plötzlichen Luftzug und den fremden Geruch.
    Das Fenster klapperte ein wenig. Ihr Herz setzte aus. Sie hob rasch den Kopf, mein Gott; schaute über die angespannte Schulter des Mannes.
    Das Dienstbotenzimmer war kaum länger als das Bett. In Wirklichkeit war sie erst jetzt nüchtern genug zu sehen, wo sie sich befand und dass es keine Sinnestäuschung war.
    Frau Dr. Szemző, geborene Irma Arnót, hatte tatsächlich die Tür aufgemacht. Ihre weiße, spitzenbehandschuhte Hand leuchtete auf der Klinke, das weiße Gesicht schien im Schatten ihres Huts zu schweben, es war, als nickte sie zitternd und bekräftigend zu jedem ihrer Wörter. Was ich hier sehe, hat nichts zu bedeuten. So ist es. Ich habe einfach die Tür aufgemacht und stehe jetzt da.
    Gyöngyvér machte verzweifelte, verspätete Bewegungen. Wollte die irgendwohin gerutschte Decke über sie beide zerren. Eine Ecke fand sie zwar, aber die Decke war irgendwo verhakt und gab erst nach vielem Ziehen und Zerren so weit nach, dass Gyöngyvér wenigstens die auseinandergespreizten Arschbacken des über ihr knienden Mannes einigermaßen bedecken konnte. Für seinen breiten, schweißnassen, im hereinfallenden Licht glänzenden Rücken, seine Schultern, seinen von Nässe dunklen, zerzausten Kopf reichte es nicht mehr.
    Sie konnte ihn nicht verschwinden lassen.
    Gyöngyvérchen, meine Liebe, sagte Frau Szemző von der Tür her, kernig und gekünstelt zugleich, ich wollte nur rasch sagen, dass ich jetzt gehe.
    Sie sprach in einem natürlichen Konversationston, höchstens wegen der Dunkelheit etwas lauter als üblich, als sähe sie wirklich nichts, als wollte sie es nicht zur Kenntnis nehmen oder traute sie ihren Augen nicht. Als nickte sie eventuell deshalb so heftig, weil sie es guthieß. Macht nur, Kinder, so ist’s recht.
    Vor zwei Uhr bin ich sicher nicht zurück, sagte sie leiser.
    Dann war es mit der Sicherheit, mit der sie eingetreten war, vorbei, sie schien vom Anblick und von den ihr entgegenschlagenden Dünsten doch etwas zur Kenntnis nehmen zu müssen. In ihrer Stimme war jetzt ehrliches Entsetzen.
    Wenn ich gewusst hätte, dass du schläfst, hätte ich nicht aufgemacht, ach herrje, wirklich, ich dachte, du hörst Radio.
    Kaum hatte sie diesen Blödsinn ausgesprochen, bereute sie es. Als entlarve sie sich selbst. Ich konnte doch sehen, dass es dunkel war.
    Wirklich, ich hätte schwören können, dass du Radio hörst, fügte sie rasch hinzu. Entschuldige bitte.
    Oh, bitte ruhig zu gehen, antwortete Gyöngyvér kaum hörbar, wie jemand, der hofft, das Ganze sei nur eine Sinnestäuschung oder ein Traum, und wenn man sich bloß anständig benimmt und normal redet, würde sich alles zum Guten wenden.
    Die Alte würde sich in Luft auflösen und verschwinden. Und sie selbst würde plötzlich aufwachen und den ganzen Albtraum vergessen können. Doch wie sollte sie normal reden. Der Mann war in ihr verkeilt, als hätte er sich in ein Möbelstück verwandelt. Unter seinem unglaublichen Gewicht und seiner Masse konnte sie sich nicht rühren, bekam keine Luft, konnte nicht so sprechen, als wäre er nicht in ihr drin.
    In seiner Reglosigkeit lag aber auch eine schamlose Koketterie, oder etwas Hämisches. Sein Gesicht blieb ja versteckt. Sosehr er in diesem Moment betroffen war, er genoss die peinliche Situation auch.
    Einem unbegreiflichen Befehl gehorchend musste er sich

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