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Parallelgeschichten

Parallelgeschichten

Titel: Parallelgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Péter Nádas
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Tag, er hatte ja noch nichts geordnet.
    In dem kleinen Zimmer, auf das sich inzwischen die Dämmerung gesenkt hatte, auch wenn die Decke noch ein letztes Licht reflektierte, enthielten ihre Körper das Dunkel, das ihr inneres Sehen schwach oder etwas stärker, aber ununterbrochen ausleuchtete.
    Im blendenden Sommerlicht schlugen die von Schlamm und Sand trüben Wellen des Flusses über Gyöngyvérs Kopf zusammen.
    An ihren Füßen, gleichsam an Sohlen und Fußgelenken gepackt, wurde ihr Körper hinuntergezogen, sie konnte nichts tun. Ein Wirbel. Das wollte sie mit ihrem letzten Atemzug rufen, wie jemand, der endlich erkennt, was mit ihm passiert, der aber nicht mehr rufen kann, weil sein Mund schon vom Druck des Wassers verklebt ist, mit seinem Geschmack nach Schlamm, Muscheln und Fischen. Deshalb also, deshalb muss ich ihn zur Tisza mitnehmen, dachte sie plötzlich, um ihn zu töten.
    Also sterbe ich, sagte sie sich befriedigt und ein bisschen erstaunt.
    Lange Seiden strichen über ihren Körper. Aber sie starb nicht.
    Auf dem sandigen, seidig gekräuselten Flussgrund wartete ein anderes, glitschigeres, kühleres Festland auf sie. Sie konnte Fuß fassen oder nach Belieben vorüberschweben. Die Tiefe glitzerte, als flackere und flattere hier der wasserdurchstoßende Sonnenstrahl. Genauso glänzend wie das, was sie wegen ihrer Stummheit verlassen hatte. Als man sie im Hof voller Hühnerschiss inmitten dieses Glanzes in den Sand setzte. Das Huhn spreizt seine Schwanzfedern, und das Loch wird erst sichtbar, wenn es scheißt. Sie kratzten in ihrer Nähe herum, sie weinte nicht mehr. Sie kamen nicht näher.
    Weinen nützte sowieso nicht viel.
    Lieber begann sie vorsichtig zu kriechen, immer wieder, man mochte sie noch so oft zurücktragen, um den vollen Bottich zu erreichen, in dem das Wasser berückend glitzert.
    Aber bevor sie sich an dem durchwärmten, alten rissigen Holz festklammern konnte, um sich aufzurichten und das Gesicht im glänzenden Wasserspiegel zu verbergen, sie wusste nicht, dass man trinken konnte, sie wollte das Gesicht im Wasser verschwinden lassen, packten sie zwei schmierseifige, tropfende Hände. Obwohl sie strampelte und biss.
    Wart nur, ekliger Wurm, dir zeig ich’s, zischte es empört unter abscheulichen Flüchen auf Mutter und Gott, während sie mitten auf den Hof zurückgetragen wurde, wo sich ihr die Seife in der unbarmherzig sengenden Sonne zusammen mit dem Sand ins Gesicht brannte.
    Dass dich doch gleich der Teufel hole.
    Sie wehrte sich, gab Tritte.
    Haste dir so gedacht, du Wurm, is aber nich so.
    Und wieder wurde sie durch die Luft getragen und in den Staub geknallt, dass sie ächzte und lange Augenblicke nicht sprach und auch ihre Atmung aus dem Takt geriet.
    Hier kannste verkrepieren, wenn du’s Maul nicht endlich aufmachst. Hörstes, he, ich sperr dich wieder zu den Hühnern, oder wohin soll ich dich noch sperren, du verdammter Balg. Ich stopf dir Seife ins Maul, kannste versticken.
    Sie sprach nicht. Hörte ihr eigenes Gewinsel, genauer, mit ihrem Gewinsel hatte sie das einstige Weinen wieder im Ohr, mit dem einstigen Weinen das blendende Licht auf dem Hof, die graudämmerigen Schatten der Akazien in der Unendlichkeit, den unstillbaren Durst, den Geschmack der Schmierseife und das Ersticken. Da spürte sie, dass der Moment gekommen war. Wo sie endlich Rache üben würde.
    Jetzt brauchte sie bloß die Hüfte anzuheben, damit der Mann sich in ihr nicht rühren konnte. Sie presste sich gegen seinen Schwanzansatz. Ich, ich. Nein, nicht. Sie hörte ihr eigenes hasserfülltes Gewinsel nicht mehr. Endlich. Trotzdem wird sie ersticken.
    Aber wenigstens nicht vor Durst, sondern das Wasser wird es erledigen, im Wasser, da sie doch so viel Durst gelitten hat.
    Endlich gehe ich im Wasser verloren. Und als sie das dachte und wünschte, sah sie schon, dass die nüchterne, abweisende Außenwelt so beschaffen war.
    Die vertraute Decke ihres Zimmers.
    Sie kraulten und streichelten das Schwein, tätschelten, beklopften den Hals des Pferdes, daran erinnerte sie sich wirklich. Die junge Frau klemmte sich die Gans zwischen die mächtigen Schenkel und sägte an ihrem Hals, bis der Knochen unter dem Messer krachte, durchbrach, es knirschte über den Knorpeln. Sie machte sogar die Augen zu, während das Blut in die Schüssel spritzte und das federglitschige große weiße Tier zappelte und zuckte. Es stieß die Frau fast vom Schemel. Sie sprach zärtlich zu ihm, na, gib Ruhe, gib deiner Mama nicht solche

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