Parallelgeschichten
verunglücken oder etwas anstellen, glaubten sie. Die Hausmeisterin, die Zimmermädchen und die Boys buhlten geradezu um meine Gunst, sie hatten es gern, wenn ich sie begleitete oder auf sie wartete, wenn sie einen Auftrag ausführten.
Von meinem geheimen Auftrag wusste niemand.
Gern folgte ich ihnen über den weichen dunkelroten Teppich, der auf den Gängen das Geräusch der Schritte schluckte, stieg mit ihnen über die Hintertreppe nach unten, fuhr in dem von geschliffenem Glas glitzernden Lift in den obersten Stock, um die Geheimnisse des Hotels auszukundschaften. Sehr früh lernte ich den Trick, nie nein zu sagen. Je zuverlässiger ich mich benahm, je bereitwilliger und zuvorkommender ich war, umso mitteilsamer wurden sie; die Erwachsenen gehen ja eigentlich sehr unvorsichtig mit ihren Geheimnissen um.
Keiner dachte daran, die äußere Eisentür der Müllaufbewahrung von innen abzuschließen.
Auch die Bettler hatten ihren Ort und ihre Stunde, niemand rechnete damit, dass sie die Müllbehälter stürmen könnten. Sie mussten sich anstellen, kurz bevor die Küche schloss. Mit ihren abgewetzten Taschen und zerrissenen Einkaufsnetzen tauchten sie einzeln aus der Nacht auf, warteten im Licht der Fenster des Untergeschosses, im herausströmenden Küchengestank, in dem um diese Stunde schon etwas abnehmenden Küchenlärm.
Wenn es regnete, standen sie mit Schirmen da.
Höchstens, dass sie höfliche kleine Bewegungen machten, um dem anderen zu bedeuten, aber bitte schön, bitte sehr, gnädige Frau. Ach, nicht der Rede wert. Und die Zimmermädchen wiederholten dauernd, bei ihnen gebe es glücklicherweise kaum richtige Bettler. Der Directrice sei es ernst mit der Sache, schmutzige, stinkende Leute, Zigeuner und Betrunkene dulde sie nicht. Ihretwegen könnten die noch lange da im Regen oder im Schnee herumstehen, denen gebe sie keinen Bissen.
Und man solle die Bettler auch gar nicht Bettler nennen. Sie wolle nicht, dass die so daherkämen. Menschliche Wracks, das könne sie nicht ausstehen. Niemand solle ihr sagen, man könne sich mit kaltem Wasser nicht waschen.
Pass auf, Mädchen, nenn mir die ja nicht Bettler, sonst kriegst du von mir eine auf den Mund.
Die ist fähig dazu, vor ihrem großen Ring haben alle Angst, das hier sind ja anständige Leute, und jeder hat ein Anrecht auf rechte Behandlung. Arme Kriegswitwen, Menschen mit Invalidenrente oder sonst von einem Familienunglück Betroffene. Es gibt welche, die das Essen von uns nur einem schwerkranken Verwandten bringen. Denen hat man wirklich alles weggenommen. Bewahre, dass man sie anherrscht oder demütigt, die Armen. Viel eher sollten sich die Kommunisten schämen.
Es geht gut, solange man gesund ist und arbeiten kann.
Geld und Arbeit sind rasch verloren, sie zu erwerben ist schon viel schwerer.
Nichts im Leben ist garantiert, das kannst du mir glauben.
Es lauert ja sowieso schon genügend Unglück auf einen, die heilige Muttergottes, der Herr Jesus mögen uns bewahren.
Szidónia Oltó hieß das Zimmermädchen, das mich vom ersten Augenblick an unter ihre Fittiche genommen hatte. Sie sei auch eine Waise, sie wisse, was das bedeutet. Es gibt auch welche, erzählte sie, die bei uns Dauergäste gewesen sind und dauernd herumkommandiert haben. Wie hätte so einer auch ahnen sollen, was ihn erwartet, und so spielte er eben den Pascha. Dauernd Wünsche, das so und nicht so, und das bitte nicht dorthin, wie oft muss ich Ihnen das noch sagen, und davon esse ich aber gar nichts, ich will das, was sie gerade beim Nachbartisch auftragen.
Das Glück ist unbeständig, mein Kleiner, komm ja nicht auf die Idee, jemanden zu demütigen.
Und sie zeigte auf eine Frau, die mal wer gewesen war.
Ich war verliebt in Szidónia Oltó, denn sie wusste nicht nur interessante Dinge zu erzählen, was man halt so erzählt, sondern sie hatte es auch gern, wenn ich an ihren Ellenbogen und Knien rieb, wo die Haut schuppig und trocken war.
Ein ziemlich starker Duft stieg aus ihrer weißen Bluse auf, wenn sie mich an den Busen drückte und sagte, ich sei ihr Söhnchen.
Diese arme unglückliche Frau habe alles, aber auch alles verloren, wenigstens dieser Hasenpelz sei ihr geblieben, flüsterte sie aufgeregt, während wir warteten, bis der Imbiss für einen Gast im zweiten Stock fertig wurde. Und der Kragen ist auch schon völlig abgewetzt, schau nur. Du wirst es nicht glauben, aber diese Frau, pass auf, sie schaut her, hat jedes Jahr zu Ostern mit ihrem Gatten zwei Wochen in der
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