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Parallelgeschichten

Parallelgeschichten

Titel: Parallelgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Péter Nádas
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vom Handschuh verdeckt war, aber den sie auch gar nicht als Schmuck betrachtete.
    Die Baronin konnte sich nicht mit Schmuck behangen an den Sezier- oder Labortisch stellen. Doch das war nur ein Vorwand. Eigentlich wurde sie von ihrer in körperlichen Belangen mangelnden Großzügigkeit daran gehindert, Schmuck zu tragen.
    Die
Boîte rouge
war der einzige Ort, wo sie Unbekannten ihre prachtvolle Anonymität gern öffnete und vorführte.
    Das war aber auch alles.
    Sie gönnte sich rein nichts.
    Wenn die Gräfin Auenberg deutsch sprach, dachte sie auch deutsch, aber die als unanständig geltenden Dinge fielen ihr auf Ungarisch ein.
    Lieber rasch den teuren Mihály heiraten, redete sie sich zu, während sie Karla musterte und sich selbst den Segen gab. Geschehe, was wolle. Ganz im Geheimen hatte sie Angst, auszutrocknen wie diese Frau. Wenn sie es nicht bald tat. Auch wenn ich den Verstand verliere, weil er diesen Männern so unheimlich gleicht. Sie lachte im Vorgefühl des großen Glücks, denn sosehr sie auch Mihálys Brutalität fürchtete, so viele Zweifel sie auch hegte, die Vorfreude auf die stürmische physische Begegnung war stärker.
    Baronin Karla fiel ahnungslos in das Lachen ein, und insofern hatte sie Anteil an diesem Glücksgefühl, und nicht einmal unbefugterweise.
    Auch wenn Imola jetzt bereits bei dem Gedanken lachte, dass aus ihr nicht eine solche wissenschaftliche Nonne würde.
    Seitdem sie Karla im See gesehen hatte, war sie ihr unwillkürlich gefolgt, hatte ihretwegen zwei Jahre an der Prager Universität Biologie studiert, wenn auch nur als Hörerin. Jetzt aber würde sie ihr nicht mehr folgen. Sie würde glücklich sein und aufblühen. Sogar Professor Nussbaums Anatomiestunden und Sektionsübungen hatte sie besucht, was sie schwer ertragen hatte, aber sie wollte genauso viel wissen wie Karla. Heller Wahnsinn, wozu ich ihretwegen fähig gewesen bin. Auch wenn sie sich nie hatte entschließen können, sich als richtige Studentin zu immatrikulieren, Examen und Übungen zu machen wie die anderen. Vor Prag hatte sie nie öffentliche Schulen besucht. Wie äußerst unanständig, vor wildfremden Männern Rechenschaft über ihr Wissen ablegen oder auf Fragen antworten zu müssen. Was lachst du so hemmungslos, fragte die Baronin, selbst gutgelaunt lachend, wenn auch ein wenig misstrauisch, als wüsste sie, dass die junge Frau ihren eigenen Gedanken nachhing und eigentlich über sie lachte, über ihr unwürdiges, leichtfertiges Leben.
    Es gehen einem allerlei Torheiten durch den Kopf, nicht der Rede wert, ich will dich damit nicht langweilen.
    Ach so.
    Mein Gott, ich wollte dich doch nicht verletzen.
    Hast du aber, dieses eine Mal, erwiderte die Baronin in einem lustvoll schmerzlichen Ton, sie hatte gespürt, dass das Lachen tatsächlich ihr galt, und diese Gelegenheit fürs Beleidigtsein musste sie nutzen.
    Hingegen konnte sie nicht wissen, dass sich die junge Frau in diesem Moment ein für alle Mal von ihr löste.
    Jetzt lachten beide auf, auf Kosten der anderen, kitzlig und glücklich, wie zwei unreife Schulmädchen.
    Sie legten sich im Gehen die Arme um die Hüfte. Ihre Hüftknochen stießen mehrmals aneinander, bis ihre Schritte den gleichen Takt gefunden hatten. Trotzdem passten sie auf, sich die Kleider nicht zu zerdrücken, während sie jetzt schon unter den schattigen, noch nicht sehr hohen und ausladenden Platanen der Ihnestraße dahinschritten.
    Der Baronin blieb allerdings keine Zeit, der Gräfin das weltweit bekannte Institutsareal zu zeigen. Den großen Vortragssaal, den großen Speisesaal, die dem gesellschaftlichen Beisammensein geweihten Räumlichkeiten; vor dem im Heimatstil gehaltenen Harnack-Haus, das auch die Gästewohnungen beherbergte, kamen sie hingegen sowieso vorüber. Baronin Karla bemerkte beiläufig, das Institut werde mit großem Fachwissen und großer Eleganz von Margarethe von Bellardi geleitet, die seit Jahren ihre engste Freundin sei, in Prag seien sie Kommilitoninnen gewesen, auch wenn sie sich damals kaum beachtet hätten.
    Sie würde sie gelegentlich miteinander bekannt machen.
    Das mit der engsten Freundin war gesagt, um Imola wehzutun.
    Sie gelangten vor ein zurückhaltend und bescheiden wirkendes einstöckiges Gebäude, das auf beiden Seiten von zwölf hohen, schmalen Fenstern unterteilt war.
    Einfachheitshalber nehmen wir den Weg durchs Institut, auch wenn ich dir weder meine Zimmer noch die Laborräume zeigen kann.
    Wir wollen ja nicht zu spät kommen.
    Nein,

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