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Parallelgeschichten

Parallelgeschichten

Titel: Parallelgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Péter Nádas
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Jetzt nichts verpassen. Von ihrem Platz aus sah sie kaum Füllungen darin. Auch wenn sich Ordnungswidrigkeiten auf einen Blick nicht so leicht feststellen lassen.
    Was sie schon bis dahin hätte sehen können, war die Tatsache, dass seine drei Sprösslinge allesamt Idioten waren.
    Und jeder konnte sehen, dass aus dem Jungen ein Päderast würde.
    Man müsste sich mal seinen Gaumen anschauen.
    Die Zukunft der Völker ist mit traditionellen Waffen heutzutage nicht mehr zu organisieren, Gräfin, und wenn Sie sich dann aufgrund Ihrer hohen Berufung mit solchen Fragen beschäftigen werden, sollten Sie sich stets vor Augen halten, dass Qualität und Niveau der Erbbiologie über alles entscheiden werden.
    Unterdessen hatten die Dienstmädchen die leeren Suppentassen abgetragen, kamen dann feierlich mit den zwei Saucieren und dem auf zwei großen Platten liegenden, fein tranchierten, mit gedämpftem Sommerkohl und riesigen Kartoffelknödeln garnierten Sauerbraten, der im Haus von der Schuer nach dem Rezept der berühmten Pfarrerstochter und mit der nationalen Gerichten zustehenden Aufmerksamkeit zubereitet worden war, durch die Zimmerflucht zurück. Vor dem Hausherrn musste geheim gehalten werden, dass das rohe Fleischstück drei Wochen lang in der aus dünnen Zwiebelringen, Wasser, Rotwein und Weinessig bestehenden, mit Lorbeer und Nelken gewürzten Marinade gelegen hatte, in einer Steingutschüssel, zugedeckt von der Flüssigkeit. Das Fleisch muss täglich mehrmals, gewissermaßen mit rituellem Ernst, in der Marinade gewendet werden.
    Von der Schuer hatte so glücklich aufgelacht, weil er noch immer nicht anders konnte, als sich über diesen von ihm gerade beschriebenen Sachverhalt zu freuen. Nie würde er sich an den großartigen Gedanken gewöhnen, dass er Anteil daran hatte, so stolz war er darauf. Er lebte in einem Staat, der sich seine wissenschaftlichen Erkenntnisse zu eigen gemacht hatte.
    Denken Sie doch, Gräfin, rief er mit jungenhafter Begeisterung. Der Führer ist der erste Staatsmann der Weltgeschichte, der die Ergebnisse der Rassenforschung und der Erbbiologie nicht nur kennt und versteht, sondern zum Leitprinzip der Gesetzgebung erhoben hat. Nichts ist ihm wichtiger als ein gesundes Volk.
    Gräfin, darf es noch etwas Sauce sein.
    Was eine Mahnung an die Adresse der Dienstmädchen war, sie sollen nicht Löcher in die Luft starren, sondern noch einmal die Runde mit den Saucieren machen, vor allem aber auch an die Adresse ihres Mannes, es sei nun wirklich an der Zeit, zu einem anderen Thema überzugehen.
    Ach, gern, Freifrau, sehr aufmerksam.
    Karla, Liebe, bestimmt darf es auch bei Ihnen noch etwas Sauce sein, bedienen Sie die Baronin, bitte. Unsere Köchin macht den Braten beispielhaft. Falls die Damen es wünschen, steht Ihnen das Rezept zur Verfügung, sollten Sie es nicht schon kennen.
    Aber mit dem größten Vergnügen, wer möchte ein so großzügiges Angebot ausschlagen.
    Das ist doch selbstverständlich, Gräfin. Geheimrezepte kann ich nicht ausstehen.
    Wieso sollte man denn ein Rezept geheim halten.
    Aber Baronin Thum winkte das Dienstmädchen grob weg, sie solle ihr mit der widerlich dicken braunen Tunke vom Leib bleiben.
    Und augenscheinlich erfreut über die unerwartete Stille und Aufmerksamkeit, die sie mit ihrer Unhöflichkeit glücklich ausgelöst hatte, rief sie, an Gräfin Imola gewandt, sie habe den alten Milton Bradley noch gekannt, ein mächtiger Geist, ein großer Wissenschaftler und ein bezaubernder Mensch.
    Von der Schuer, ganz vom Fach, äußerte sogleich sein Erstaunen.
    Ach nein, Karla, das wusste ich gar nicht, dass Sie ihn gekannt haben.
    Solche ärgerlichen Spielchen spielten sie ständig, sich auf die Probe stellen, wer sieht wem in die Karten, wer führt wen in die Irre. Die gereizte Miene des anderen war der Maßstab der Rivalität. Den anderen ins Dickicht widersprüchlicher Informationen laufen lassen. Diesmal aber heuchelte von der Schuer das Erstaunen eher zu dem Zweck, seiner Frau zu Hilfe zu kommen und die Konversation in andere Bahnen zu lenken. Der er recht unvorsichtig diese Richtung gegeben hatte. Seine Frau schätzte es nicht, wenn bei Tisch über wissenschaftliche Themen geredet wurde. Überhaupt verachtete sie mit gutbürgerlicher Inbrunst diese elenden Wissenschaftler, sah gründlich auf sie hinunter, und wenn sie noch so berühmt waren. Höchstens mit ihrem Vermögen konnten die ihr Eindruck machen. Die fangen das Gespräch ganz unschuldig an, aber nach ein paar

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