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Parallelgeschichten

Parallelgeschichten

Titel: Parallelgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Péter Nádas
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Zucken doch noch ein. Oder schon beim ersten Schlag, gegen alle Absicht. Er hatte es, aus der Distanz, aus der Nähe, so oft erlebt, dass er beim Anblick der beiden Männer nur das denken konnte, dass es so weit war.
    Seit Jahrzehnten wünschte er nichts anderes als den plötzlichen Tod seiner Frau.
    Die beiden kamen eilig über den weichen sandigen Pfad, der sie geradewegs zum Aprikosenbaum führte. Balter hatte sein Hemd in der Hand, und in den folgenden Minuten rührte er sich nicht von der Stelle. Vorn kam ein mächtiger, bebrillter Mann, in weißem Hemd und schwarzer, bis über die Knöchel hochgekrempelter Hose, ihm in Körperbau und Alter sehr ähnlich; der Kleine, der hinter ihm hertrottete, wurde von ihm fast verdeckt. Der Kleine trug sogar in dieser Hitze einen schwarzen Hut, und er fuchtelte im Takt seiner eifrigen Schritte mit einer Latte. Als sie, den nachgiebigen Sand knetend und tretend, auf Hörweite waren, grüßten beide laut, was Balter zur Kenntnis nahm, aber vor überraschtem Warten nicht erwidern konnte.
    Angesichts einer solchen stummen Reglosigkeit blieben die beiden Neuankömmlinge nach ein paar Schritten, die sie noch unwillkürlich gemacht hatten, unsicher stehen.
    Von dort rief der Größere herüber, ob Balter einen Strolch gesehen habe.
    Balter spürte, dass eine sehr lange Zeit verging, bis er die Frage verstand und es ihm gelang, mit dem Schwenken des Kopfs zu signalisieren, nein, habe er nicht.
    Diese scheinbar lange Zeit war aber nicht leer, es geschahen in ihr mehrere merkwürdige Dinge.
    Der wilde Blick des Bebrillten setzte sich zuerst an seiner Hose fest. Er nahm die Hosenbeine in Augenschein, huschte verlegen über seine Lendengegend, tastete Balters gewölbten Brustkasten ab, wie um dessen Größe und Kraft abzuschätzen und herauszufinden, auf welche Art man den zu verprügeln hatte. Als sei Balter der gesuchte Strolch. Vielleicht vibrierte die Luft zwischen ihnen von einer noch absurderen Annahme. Verdächtigung, Verdacht, die verdächtigten ihn. Eine Prügelei wäre in Anbetracht ihrer physischen und altersmäßigen Ähnlichkeit nicht uninteressant gewesen; das moralisch gebremste Aufbrausen des Pastors gegen die in schweren Erfahrungen trainierte kühle Professionalität des Gefängniswärters, die Explosivität des Pastors, seine vom Geistigen verfeinerte Kraft gegen die vom Seelischen unbeleckte rohe Kraft des Wärters, das waren genug Unterschiede, den Kampf unberechenbar zu machen. Und sie hätten sich auch nicht nur Auge in Auge gegenübergestanden, da war ja der unberechenbare Dritte.
    Diese Erkenntnis lenkte Balters Blick sogleich auf die Latte, die der kleinere Mann fest in der Hand hielt.
    Balters Erkenntnisse konnten dem Pastor nicht entgehen.
    So sehr sich Verdacht und Verdächtigung bei ihm festgesetzt hatten, so heftig war sein Versuch, sich zurückzuziehen. Dafür hatte er keine andere Methode, als auf Abstand zu gehen und jetzt mit einem zahmeren Ruf die Frage zu wiederholen, ob Balter wirklich niemanden gesehen habe.
    Er bekam wieder keine Antwort.
    Mit Rufen kann man sich sowieso nicht auf umständliche Erklärungen einlassen. Der Pastor fuhr also mit Fuchteln und Rufen fort, als wünsche er sich einem Schwachsinnigen verständlich zu machen. Das verlieh seinen Worten doch wieder einen aggressiven Schwung.
    Man konnte daraus die Verachtung für begriffsstutzige Menschen heraushören.
    Ein Junge in Badehosen sei hier vorbeigekommen. Sein Enkel. Und auch der Strolch habe hier vorbeikommen müssen. Jetzt solle er doch nicht behaupten, er habe sie nicht gesehen, weder den einen noch den anderen, das solle er doch nicht behaupten.
    Balter schwenkte verneinend den Kopf und schaute auf die Latte.
    An ihrem Ende ragten zwei Nägel heraus.
    Jetzt solle er doch nicht sagen, dass er niemanden habe hier herumstreichen sehen. Jetzt solle er doch endlich helfen.
    Und auch wenn er zum dritten Mal frage. Ich hab’s doch schon gesagt, niemanden.
    Dann passen Sie aber gut auf, rief ihm der Pastor zu, halten Sie die Augen offen, es war nicht klar, ob sich Balter vor ihnen hüten sollte oder vor dem gesuchten Strolch.
    Sie machten kehrt, wieder mussten sie eine gute Weile durch Sand treten, die Räder schnappten sie sich beinahe im Laufen.
    Balter ließ langsam die Schultern sinken und merkte auf einmal, dass er das Hemd in der Hand hielt, er schlüpfte langsam hinein. Und beobachtete aufgewühlt, wie der Feldweg die beiden Männer verschluckte.
    Als sie aus seinem Blickfeld

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