Parallelgeschichten
Bett, sie blieb mit gespreizten Beinen liegen.
Die Stimme seiner Mutter schluchzte in seinem Ohr auf.
Das ist nichts für dich, mein Junge.
Gegen das Becken gelehnt, in ihrer nassen Schürze, hielt sie mit einer von der Lauge gedunsenen Hand die Kratzbürste umklammert; nichts für dich, nichts für dich, mein Junge. Klar war es nichts für ihn, aber woher zum Teufel wollte seine Mutter wissen, was dann für ihn war.
Die Unterhose warf er zur schmutzigen Wäsche. Er suchte in der Nacktheit eigentlich die verlorene Ruhe, nur hätte er das Gewicht seines Körpers von seiner Seele ablösen müssen.
Gerade Ihr werdet mir sagen, Mutter, was für mich gut ist.
Und als er dann endlich das große Messer an sich riss, weil das verfluchte kleine nirgends war, packte er den Griff, als habe er einen Mord vor. Tiere hatte er nie halten wollen, um sie nicht schlachten zu müssen. Er hatte zu viel Menschenblut gesehen, um vom Gedanken an Mord nicht entsetzt zu sein. Vor ihm stand die einfache Aufgabe, die Bohnen zu putzen und klein zu schneiden, aber es fuhr ihm auch durch den Kopf, dass er nie freiwillig einen Gefangenen geschlagen hatte. Er wusste nicht, wessen Frage er auf diese Art beantwortete, wenn er doch ebenso wenig abstreiten konnte, dass er bei Gelegenheit schon hatte Hiebe austeilen müssen. Wieso zum Henker müsste er sich jetzt herausreden, und vor wem wohl. Die Gefangenen hatten im Aufruhr mit den Fäusten, den Stiefelspitzen, den eisenbeschlagenen Absätzen gegen die Zellentüren gepoltert, über die Rippen der Heizkörper gerattert.
Klar, dass er zuschlagen musste, wo er nur konnte.
Am Ufer von Visegrád quietschten gleichmäßig die Grubenwagen des fernen Steinbruchs.
Es ging auf den späten Nachmittag, die Hitze hatte sich einigermaßen gelegt.
Auch nachts wird es quietschen, es quietscht aus der Ewigkeit der Verbrechen heraus. Alle Vorstellungen, Empfindungen, Visionen und Sehnsüchte, die in den vergangenen Monaten feine Furchen hinterlassen hatten oder die er an den Rand seines Bewusstseins verdrängt hatte, waren in den letzten Stunden ausgeschlüpft, zurückgekommen, wieder aufgelebt und griffen ihn heimtückisch an. In dem schweren Dunst und dem rötlich werdenden, zitternden Staub der schwülen Hitze war die Sonne dabei, hinter den fernen Bergen zu verschwinden. Trotzdem verhielt es sich nicht so, dass er sein belastetes Leben überdachte, vielleicht seine Sünden, oder sonst was. Da waren Schmerz und Angst, Empfindung setzte Erinnerung in Bewegung, Erinnerung gebar Vorstellung, und ihn warf es hilflos dazwischen herum.
Die Litergläser mit den Butterbohnen dampften inzwischen, mit Tüchern umwickelt, in einem großen Topf auf dem Herd. Seine fieberhafte Tätigkeit half aber nichts gegen das Nervenfieber. Sein nackter Körper war schweißnass, und als er an sein baldiges Bad dachte, war es nicht sein Körper, den er abkühlen wollte. Später nahm er die Seife, suchte ein sauberes Hemd, hängte das Handtuch ab und warf es sich zusammen mit der Hose und dem Hemd über die Schulter. Er machte die Gasflamme aus, drehte den Hahn an der Gasflasche gründlich zu. Dann trat er aus dem Haus, schloss die Tür sorgfältig ab, wollte gerade den Schlüssel am gewohnten Ort verstecken, unter dem großen Stein, mit dem ihm sein Sohn den Schädel einschlagen würde, falls er nicht auf der Hut war, als er wegen eines blassen Schattens am äußersten Rand seines Blickfelds zusammenzuckte, das Zucken ließ ihn erschauern, die Muskeln an seinem Rücken und seiner Brust erstarrten in einem richtigen Krampf.
Unter dem Aprikosenbaum stand reglos der Pastor.
Beim Näherkommen hatte er, wie es sich gehört, wiederholt einen schönen guten Abend gerufen, die dumpfen, ahnungslosen Geräusche im Häuschen hatten seine Schritte angehalten. Er hatte ganz ehrlich nicht beabsichtigt, den anderen mit seinem Kommen zu überraschen.
Er sagte rasch, sich fast verhaspelnd, er bitte um Verzeihung.
Nur tastete er unterdessen den nackten Körper des anderen Mannes doch vom Hals bis zu den Lenden mit dem Blick ab, und jetzt noch gründlicher als am Mittag.
Was in Teufels Namen suchen Sie hier, rief Balter überrascht, was wollen Sie schon wieder auf meinem Grund.
Auch wenn es nicht um seinen Grund ging, sondern um seine unverhüllten Lenden, an denen ein Mann die Fähigkeiten des anderen abliest.
Alles, was der verstörte Pastor tun konnte, war, nicht länger auf Balters nackten Körper zu starren, er blickte ihm jetzt in die
Weitere Kostenlose Bücher