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Parallelgeschichten

Parallelgeschichten

Titel: Parallelgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Péter Nádas
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Augen.
    Trotzdem vertiefte sich bei beiden das peinliche Gefühl von männlicher Schutzlosigkeit und Ausgeliefertsein. Weil man ja nicht schauen darf, wohin man möchte.
    Es schmerzte den Pastor besonders, dass sie wegen seines unbedachten Blicks das Gespräch mit der Erwähnung des Teufels beginnen mussten.
    Er habe ihn nicht überfallen wollen, sagte der Pastor leise, er möge den ungebetenen Besuch verzeihen, aber es habe ihm ehrlich keine Ruhe gelassen, ihn geschmerzt, dass er ihn am Mittag grob angefahren habe.
    Er würde gern Abbitte leisten.
    Um ehrlich zu sein, er sei deswegen gekommen.
    Balter waren derartige Schwachheiten fremd, dass jemand wegen irgendwelcher Grobheiten bei jemand anderem Abbitte leisten sollte, und so glaubte er ihm nicht. Er versuchte herauszuspüren, was dieser andere Mann von ihm wollen könnte.
    Na, was Sie nicht sagen, bemerkte er roh, dann wären Sie also der berühmte starke Priester, sagte er angriffslustig, aber doch um etliches leiser als zuvor.
    Der Pastor antwortete mit dem ängstlichen Lächeln der wirklich starken Menschen, ja, der bin ich.
    Dann denken Sie aber bloß nicht, dass ich schreckhaft bin.
    Das denke ich nicht, ehrlich nicht.
    Habe ich Ihnen schon am Mittag angesehen, nur keine Angst, dass Sie nur der Priester sind, oder was zum Teufel Sie immer sind, setzte Balter seinen Gedanken fort.
    Ich bin der Pastor, berichtigte der andere leise.
    Bin ja nicht blind, sehe, was ich sehe, aber Ihre Angelegenheiten interessieren mich nicht, nur keine Angst. Meinetwegen können Sie auch der Pastor sein, mich interessiert auch Gott nicht.
    Seine eigene Stimme, das Raue seiner Worte übertönte das, was sein Blick sagte.
    Und von Ihnen sagt man auch, dass Sie lieber Holz hacken als predigen, aber auch wir haben Sie dann lieber, mit dem Beil.
    Sein Lächeln war von der Art, wie es nur eine angenehme Erinnerung hervorbringt.
    Wo ist dann für Sie dieser großmächtige Scheißgott.
    Er gab sich zwar keine Rechenschaft darüber, aber der nachmittägliche Albdruck war verflogen. Er fühlte sich in seinem Element, mitsamt seinem unwillkürlichen Lächeln, und so fuhr er eben fort.
    Glauben Sie bloß nicht, ich hätte vor irgendeinem Gott oder vor den Priestern Schiss. Darauf können Sie Gift nehmen. Meinetwegen können Sie der heldenhafte Miklós Toldi sein oder der Herkules, das können Sie mir glauben.
    Glaube ich durchaus gern, ich sag’s doch, erwiderte der Pastor und trat, ungeachtet Balters Nacktheit, gleichzeitig näher. Dennoch schmerzte ihn jedes Wort des anderen Mannes. Ich will nicht lügen, aber wenn ich Sie so betrachte, glaube ich nicht, dass ich es mit Ihrer Körperkraft aufnehmen könnte.
    Eine Weile wurde es zwischen ihnen ganz still.
    Balter war nicht sicher, ob der Pastor nicht spottete. Die drei Wörter, durchaus, betrachte und Körperkraft, wirkten wie eine Ohrfeige auf ihn. Als seien es Fremdwörter. Er hatte den vagen Verdacht, dass dieser gebildete Mann ihn, den Ungebildeten, belehre, verhöhne oder vielleicht geradewegs verachte. Der Pastor hingegen war darauf gefasst, dass Balter wegen der zu großen Nähe vielleicht zuschlagen würde, aber er hatte keine Angst um sich, höchstens um seine Brille.
    Es war eine neue Brille, das eine Glas hatte der Optiker auf spezielle Art schleifen müssen.
    Aber mit dem weit geöffneten, lächelnden blauen Auge hinter diesem Glas bezauberte er den anderen richtig.
    Wenn man lange ohne das Gefühl der körperlichen und seelischen Freundschaft lebt, kapseln sich sogar die Keimlinge des Gefühls ein.
    In diesem Moment ließ Balter, für ihn selbst unerwartet, den Schlüssel unter den Stein gleiten.
    Ich tu ihn immer dahin, wenn ich irgendwohin gehe, sagte er rasch, als verstünde er selbst nicht, warum er sein ängstlich gehütetes Geheimnis verriet. Da Sie es sowieso gesehen haben, fuhr er fort, kann ich es ja auch gleich verraten. Es ist auch besser, wenn es jemand außer mir weiß, fügte er hinzu, man weiß ja nie, was einem passieren kann.
    Die Seife legte er auf die Treppe, Hemd und Handtuch hängte er über die Klinke, dann schlüpfte er gemächlich in die Hose. Das Gemächliche gehörte zum Gefühl der Freundschaft.
    Als junger Bursche hatte er noch einen Kameraden gehabt, für den er durchs Feuer gegangen wäre, in seiner Soldatenzeit waren da noch gute Freunde gewesen, aber seither nicht mehr.
    Er musste den Ledergurt gut anziehen, in den vergangenen Monaten hatte er einiges Gewicht verloren.
    Er gehe jeden Abend zum

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