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Parallelgeschichten

Parallelgeschichten

Titel: Parallelgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Péter Nádas
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grob.
    Mehr wert ist sie trotzdem nicht, wenn auch ich ehrlich sein darf. Aber warum sollte sie nicht ihr Leben haben, fügte er mit einem unangenehmen rohen Lachen hinzu, mir ist es ja egal.
    So verflocht sich in diesem Augenblick die Schande ihrer Schicksale.
    In gemeinsamer Scham blickten sie sich an, als könnten sie nichts dagegen tun. Sie hätten nicht verschiedener sein können, abgesehen von ihrem Alter gab es nichts, was sie verband, trotzdem sahen sie im Blick des anderen nur, dass sie beide Männer waren.
    Es hätte ein erstes Wort gebraucht.
    Dem Pastor fehlte das tägliche bisschen Gute so sehr, dass er für noch mehr Schlechtes keinen Raum mehr hatte. Er fragte nichts, wünschte nicht, dass noch mehr davon auf ihn losgelassen würde. Überhaupt hatte sich wegen Balters schamlosem Lachen Gleichgültigkeit auf sein Herz gelegt, gefährliche Gleichgültigkeit.
    Balter erblickte hinter den Brillengläsern starre Ablehnung und ein strenges moralisches Urteil. Etwas anderes konnte er von einem so starken Mann schließlich nicht erwarten. Seine Überlegenheit schrumpfte zusammen, bestand nur mehr darin, dass er eine Frau hatte, die am Leben war. Das war alles, in seinem Zorn über das eigene Schicksal hätte er den anderen Mann höchstens noch zusammenschlagen können.
    Dessen stille Trauer stach in seine Selbstachtung wie eine Nadel in eine Blase.
    In der abendlichen Stille schrie er fast.
    Mich, mein Herr, hat meine liebe Frau mit einem Sack abgepasst, und mein einziger Sohn hat mich blutig geprügelt. Wenn Sie wissen wollen, womit sie es gemacht haben, kann ich auch das gern sagen. Mit dem Schürhaken. Vier Rippen haben sie mir gebrochen, er sah, dass er durch den abweisenden Blick des Pastors drang, und fügte noch etwas hinzu, das laut ausgesprochen ja schon ziemlich seltsam wirkte.
    Die bringe ich um, falls ich nicht zuerst drankomme.
    Das Wasser trug seine Stimme auf den Wirbeln seiner Oberfläche, vom rot beleuchteten Vácer Ufer kam sogar ein Echo zurück.
    Es war nicht auszumachen, ob er nur seine Frau oder gleich beide meinte. Inzwischen versuchten sie an der Blickrichtung des anderen abzulesen, was im nächsten Moment geschehen würde.
    Aber noch üblere Dinge von seinem Sohn hätte er dem Pastor um keinen Preis erzählt, obwohl es reichlich was zu erzählen gegeben hätte.
    Das Wasser zu ihren Füßen gluckste still, dass sie nicht miteinander handgemein wurden, verdankten sie nur der herzlähmenden Gleichgültigkeit, die sich weitgehend über die Mordlust des Pastors gelegt hatte. Aber wer weiß, was besser gewesen wäre. Fledermäuse flogen über sie hin, aus dem Weidenhain hörte man das Rufen der Nachtvögel. Als der Pastor doch noch den Mund aufmachte, um etwas zu sagen, hätte einzig der Allmächtige vorauswissen können, was er in seiner Bitterkeit alles zusammenreden würde.
    Meine arme liebe Gemahlin ist seit vier Jahren tot, meine liebe, einzige Emmi, sagte er schmerzlich dumpf und weinte fast in seine Antwort hinein; während er mit zitternden Lippen nach Worten, nach Luft rang, hatte er auf einmal das Gefühl, er müsse sich bei jedem Wort demütig bis zum Boden verneigen.
    Er wollte das Schicksal des anderen Mannes mit seinem eigenen niederringen.
    Die Schande des ausgesprochenen Worts entehrte seine Tote sogleich.
    Der dumpfe Schmerzensschrei fand keinen Widerhall.
    Er hatte noch immer nicht gelernt, was ein Mann, der in seinen Kräften und seinem Willen hermetisch eingeschlossen ist, mit seinen Gefühlen anfangen könnte. Während sie mit ihren blinden Regungen rangen, entging keinem der beiden, dass die Scheinwerfer der Wachtürme angeschaltet wurden. Die Dämmerung zerriss, das harte Strahlen verbreitete sich und zog sich übers Wasser hin.
    Etwas vom Widerschein gelangte in Balters Augen und auf die Brille des Pastors.
    Meinen einzigen lieben Sohn hat man wie einen gewöhnlichen Verbrecher, wie ein Vieh, rief er im unterdrückten Schmerz noch dumpfer aus, in ein namenloses Grab geworfen, Sie müssten wissen, wer es war, ich weiß es nicht, weiß nichts, man hat ihn erschossen oder gehängt.
    Ohne sich von Balters leuchtendem Blick loszureißen, wandte er plötzlich den Kopf in Richtung des anderen Ufers.
    Na ja, nicht dort, wo Sie gedient haben, sondern in der Kozma-Straße, vermutlich jedenfalls, aber ich habe es Ihnen doch erzählen müssen.
    So viel konnte er von seinem inneren Toben herauslassen und es zugleich mit der Erklärung zurücknehmen.
    Balter war gezwungen, seinen

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