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Parallelgeschichten

Parallelgeschichten

Titel: Parallelgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Péter Nádas
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Baden ans Wasser hinunter, sagte er, während er die Knöpfe zumachte und den Pastor anblickte, der sich wieder hinter sein gütig hilfloses Lächeln zurückgezogen hatte.
    Falls er es nicht als zudringlich empfinde, sagte der Pastor, würde er ihn ehrlich gesagt gern begleiten.
    Das Angebot war wieder wie ein Schlag. Trieb der Pastor etwa seinen Spott mit ihm. Solche Dinge sagten Herren zu Damen, darf ich Sie begleiten. Aus einer gewissen Bequemlichkeit oder Trägheit erwog er, ob er nicht doch zuschlagen sollte.
    Der Abendhimmel über der heißen Landschaft war flammend rot.
    Um diese Zeit, abends, fügte der Pastor zur Erklärung hinzu, wenn es nicht mehr so heiß ist, habe ich ehrlich gesagt die Gewohnheit, ein wenig spazieren zu gehen.
    Sie machten sich unter dem flammenden Himmel auf, und eine Weile gingen sie auf dem Pfad nebeneinanderher.
    Und, hat man den Strolch gefunden, den ihr so sehr gesucht habt.
    Vielleicht ist es besser, dass sie ihn nicht gefunden haben. Sehen Sie, rief der Pastor dumpf, man sieht ehrlich gesagt ein, dass der Herrgott die Dinge wieder einmal weiser gefügt hat.
    Wie er die kenne, hätten die ihm, falls sie ihn fanden, den Garaus gemacht.
    In der flammenden Luft klangen die Wörter der beiden Männer gleich. Kein Ton sollte sich über die Stille der Landschaft erheben, keiner sollte den anderen mehr verletzen.
    Mit der Hilfe Jesu Christi seien sie von der Sünde, jemanden erschlagen zu haben, frei geblieben, sagte der Pastor so innig, als weihe er den anderen ins Geheimnis der Schöpfung ein. Er sehe jetzt ein, dass in ihnen am Nachmittag viel gemeine Wut gewesen sei, er könne es nicht abstreiten, wolle ja auch gar nicht lügen. Ehrlich gesagt, hätten sie die Hose seines Enkels zurückhaben wollen, und der Unglücksmensch habe auch Brot aus dem Laden gestohlen. Und ob man wolle oder nicht, im Menschen gebe es auch mörderische Regungen.
    Vielerlei Gesindel strolcht in der Welt umher, erwiderte Balter auf seine Art ganz zuvorkommend. Gerade ich sollte das nicht wissen, in solchen Dingen habe ich Erfahrung, das können Sie mir glauben.
    Der Pastor wollte das neue Einvernehmen nicht zerstören, aber es fiel ihm doch schwer, auf seine missionarischen Absichten zu verzichten.
    Ohne die Vorsehung sind wir allesamt unwissende kleine Kinder, in unserer großen Unwissenheit versündigen wir uns alle.
    Beide prüften jeweils mit vorsichtigen Blicken die Wirkung ihrer Worte.
    Immer noch besser als einen solchen missionarischen Text hatte es Balter ertragen, wenn er sich an Seminarien und in Kurzversammlungen hatte anhören müssen, dass es noch einige Jahre seiner harten Arbeit brauchte, dann hätten sie endlich die Fundamente des Sozialismus gelegt. Nur noch etwas Geduld, Ausdauer, und vor allem viel Wachsamkeit, innen und außen lauert überall der Feind. Er hatte kein Wort davon geglaubt, er wusste ja, worauf das Spiel hinauslief. Der Kommunist und der Faschist wurden in derselben Zelle gehalten, wovon redeten die also. Aber der Text des Pastors erfüllte ihn mit einer Art archaischer Irritation.
    Ein unbepflanzter Ackerstreifen führte sie durch den aufgegebenen Obstgarten, Balter war hier noch nicht dazu gekommen, Ordnung zu machen.
    Er glaubte an keinerlei Vorsehung, und wenn man so salbungsvoll von ihr sprach, fluchte er erst recht. Bei der Erwähnung des Sozialismus oder Kommunismus zuckte er wenigstens mit den Schultern, hingegen interessierte ihn der Obstgarten mehr als die Vorsehung. Leckt mich doch am Arsch, Genossen, das dachte er, aber wenn es stimmte, was die versprachen, nämlich dass die Herrschaften nicht zurückkommen würden, dann war’s schon recht.
    Alle sind doch nur aus einer Mutter herausgekrochen, das ist schon richtig, auch ein Graf muss scheißen.
    Als sie am Ufer die mit Pfählen gut sichtbar markierte Grenze von Balters fruchtbarem Land erreichten, musste auf dem sumpfig nachgebenden Boden des Dickichts der eine in die Spuren des anderen treten, um zum Weidenhain am Ufer zu gelangen.
    Balter vorn, der Pastor hinter ihm.
    Auf dem Überschwemmungsgebiet roch es stark nach den Ausdünstungen verrottender Pflanzenteile.
    Der Fluss hatte sich in diesen trockenen Monaten tief in sein Bett zurückgezogen.
    Das Ufer war steil.
    Wie jemand, der sein prächtiges Anwesen zeigt, führte Balter den Pfarrer zu einer schönen Öffnung zwischen den Weiden, wo sie, jetzt nebeneinander, zusahen, wie sich die Landschaft auftat, die mächtige Strömung des Wassers vor ihnen

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