Parallelgeschichten
enthüllend, und wie die kahle Linie des fernen Ufers im rötlichen Dunst der Dämmerung verschwamm.
Da also haben Sie gedient, wie man mir im Dorf gesagt hat, ließ sich der Pastor nach langer Zeit vernehmen.
Am Nordrand des Bischofssstädtchens mit den vielen Kirchen stand ein dem Wasser und der Landschaft fremdes Gebilde, von dicken Ziegelmauern umgürtet, mit spitzen Wachtürmen gespickt, der alte Block der barocken Zuchtanstalt.
Diese Mauern dauernd vor Augen zu haben, wohin immer er blickte, in ihrer Nähe leben und zweimal wöchentlich das Wort verkünden und vom Herrn Jesus Christus Zeugnis ablegen, eigentlich war das die größte Prüfung im Leben des Pastors.
Dreißig Jahre lang habe ich dort gedient, jawohl, antwortete Balter still, fast verschämt, als höre er nur das Entsetzen des Pastors. Er lachte kurz auf. Den Dienst habe ich unter Durchlaucht begonnen, wenn der Herr Pastor weiß, an wen ich denke, dann habe ich Väterchen Rákosi gedient und bin auch noch auf Kádár eingeschworen worden.
Auch ich diene seit dreißig Jahren, sagte der Pastor noch ergebener als bisher.
Der andere sollte den riesigen Unterschied zwischen ihnen kaum spüren. Ein wenig aber schon. Der Pastor hätte es unangebracht gefunden, die Gelegenheit nicht zu nutzen, von seinem Dienst wenigstens ganz kurz Zeugnis abzulegen. Auch so wurde die Entfernung zwischen ihnen zu groß. Das Zeugnis verstärkte beim Pastor den unbarmherzigen Wunsch nach Rache.
Um in solcher Nähe diese vielschichtige Distanz nicht noch zu unterstreichen, blickte er Balter eine Weile nicht an.
Seine seelische Berufung zur Nachfolge Christi konnte noch so stark sein, er hätte an jemandem doch blutige Rache üben müssen. Das Gefühl und der entsprechende Antrieb ließen sich nicht unterdrücken.
Im Januar hatte ich geheiratet, plauderte Balter arglos, im Februar den Schwur abgelegt, und diesen Februar habe ich den Dienst quittiert. Genug ist genug, das können Sie mir glauben.
Wir sind im Monat Juli von der Tisza hierhergezogen, zehn Jahre lang war ich dort in meinem ersten Dienst gewesen, in Tiszavésztő, falls Sie den Ort kennen. Auf die Art kommen bei mir alle diese Jahre zusammen, sagte der Pastor gefügig.
Den Unterschied in der Art ihrer Diensttätigkeit konnte er mit dem besten Willen nicht ausgleichen. Beziehungsweise eventuell doch, etwas guten Willen hätte der Pastor schon noch aus sich herauspressen können, aber dann hätte er nicht gewusst, wohin mit dem Schicksal seines einzigen Sohnes, und wohin mit seinem dunklen Hass. Höchstens ihr Lebensalter war gleich, der unaufhaltsame Rhythmus des Vergehens, dem sich beide stellen mussten.
Trotzdem wurde das lange Schweigen nicht peinlich, beide achteten eher auf die Tendenz der Aussagen als auf ihren Inhalt.
Was auch immer gewesen war, beide waren sie unterwegs aus ihrem Leben hinaus.
Und jetzt bin ich frei, sagte Balter später vorsichtig.
Ein wenig wirkte es, wie wenn ein kleines Kind zum ersten Mal etwas ganz Unanständiges laut ausspricht. Aber wenn ein älterer Mann das sagt, entbehrt es nicht der Selbstironie. In der Stille, die entstanden war, hörte der Pastor den schweren Seufzer des großen Körpers sehr wohl, und dann die Art Stille, die einen Satz einführt.
Schwere Jahre, ja, niemand hatte es leicht, sagte der Pastor ausweichend. Um ehrlich zu sein, wir werden ja doch alle vor dem gerechten Herrn Rechenschaft ablegen.
Was hat man im Dienst nicht alles mitmachen müssen, erwiderte Balter genauso entgegenkommend. Da könnte man schon ein Liedchen singen, aber er verstummte wie jemand, der sich nicht mit unbedachten Worten ausliefern will.
Zu schweigen hatte er einigen Grund, und vor seinem endgültigen Abgang hatte er auch das Schweigegelübde wörtlich und schriftlich erneuern müssen.
Es heißt, Sie seien allein, die werte Gattin lebt wohl nicht mehr, wenn ich ehrlich fragen darf, sagte der Pastor teilnahmsvoll und behutsam, wie um in noch tieferes Dunkel zu greifen, sich noch weiter vorzutasten. Aber eigentlich dachte er über sein eigenes Schicksal nach.
Und ob sie lebt, ihr eigenes Leben, um es so zu sagen, antwortete Balter. Kein Leben, wie Sie es verstehen würden, in seiner Stimme kam der jahrzehntelange Hass auf alle Studierten hoch, in diesem Augenblick war es derselbe Hass, den er für seine Frau und seinen Sohn empfand.
Eine registrierte Hure war sie allerdings nie, haben Sie da keine Sorge.
Wahrscheinlich machte die Überraschung seine Antwort so
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