Parallelgeschichten
gemäß strenger Moral. Aber wo war schon jene eingegrabene Erdhütte mit dem Dach aus Rasenziegeln, dem sorgfältig konstruierten, hübschen kleinen Kamin und der immer sauber geschrubbten Kochplatte. Seit wie vielen Jahren lebten die Alten nicht mehr. Trotzdem blieb ihre Beziehung dem strengen Gesetz der Geburtenfolge unterworfen. Auch den Tod konnten sie sich nur so vorstellen wie die leer glühende Platte, wenn sie nichts zum Kochen hatten.
Was der heitere László tat, tat auch der depperte Imre, was anderes blieb ihm ja auch nicht übrig. Wenn aber Imre fuchtelnd und kopfschüttelnd seinen unnötigen Wortschwall begann, begleitete László die Redeflut höchstens mit dem faulen Kopfnicken des erfahrenen Mannes. So verlieh das Ansehen des Älteren diesen Reden Nachdruck. Bizsók hatte auch beobachtet, dass der Ältere, wenn Ungarn zugegen waren, die Worte des Jüngeren nie in Zweifel gezogen hätte, höchstens, dass er dann etwas anderes machte.
Vielleicht hatte nur ein tiefliegender, ursprünglicher seelischer Unterschied ihre faltigen Gesichter ein wenig verschieden werden lassen.
Imre beobachtete mit geweiteten, immer aufmerksamen Augen, ob es nicht etwas zu kommentieren gab, der ältere Téglás wusste hingegen, was zu tun war.
Den Schubkarren mit der heißen Masse schoben sie im Laufen und leerten ihn dann mit einer einzigen raschen Bewegung; der Teer rutschte knisternd und zischend vor den Tuba, der auf den Knien und in der Hocke das glühende Material mit einem schweren Glätter und weit ausholenden ruhigen Zügen und Schüben verteilte. Er arbeitete mit unglaublicher Eleganz, mit einer keinen Widerspruch duldenden inneren Strenge. Der fünfte Mann in der Gruppe, Bizsók, ihr Werkmeister und gleichzeitig der Maschinenmeister, legte zuweilen Wasserwaage und Messgeräte an die halbfertige Arbeit an, damit sie gegebenenfalls noch korrigiert werden konnte, aber Tubas Augenmaß enttäuschte nur selten. Dieser Bizsók war der Älteste und demgemäß Angesehenste. Wegen seiner Gerechtigkeit wurde er von den Zigeunern geradezu verehrt, auch wenn sie seinen schwachen Punkt natürlich entdeckt hatten. Der blöde Bauer, sagten sie zuweilen untereinander verächtlich. Denn eigentlich war nicht seine Arbeit, nicht seine schöne Familie das Höchste für Bizsók, sondern sein Apfelhain, kaum war er nach der langen Eisenbahnfahrt zu Hause, ging er gleich da hinaus und arbeitete ununterbrochen. Die Zigeuner hielten ihn für einen Verschwender, für einen, der im Interesse eines nicht einsehbaren Nutzens sein Leben verschwendet. Hätte die im Land weitherum tätige Straßenbaufirma nicht dringend ausgebildete Arbeitskräfte benötigt, und hätte er kein so tiefsitzendes Pflichtbewusstsein gehabt, hätte sich Bizsók schon in den Ruhestand begeben können, aber als Mann alten Zuschnitts fasste er die unpersönlichen Bedürfnisse der Welt als Gesetze auf, denen er sein Leben anpasste.
Er blieb aus dem gleichen Grund, dessentwegen ihm sein Apfelhain wichtig war, auch wenn er nicht hätte formulieren können, worin dieser Zwang bestand.
Die Zigeuner hätten erst recht nicht sagen können, wie er sich anders hätte verhalten sollen.
Seine erwachsenen Söhne hatten schon beide ihre eigenen Häuser gebaut, und im reich tragenden Apfelhain gab es tatsächlich jeden Tag etwas zu tun. Manchmal half er auch seiner Adoptivtochter, vor der er allerdings ein wenig Angst hatte, wegen ihres fremden Bluts. Bizsók war ein nüchterner, etwas abweisender Mensch, einer, den die Umstände gelehrt hatten, die Dinge richtig einzuteilen, und so hatte er sich aus dem Vorhandenen eine Ordnung geschaffen. Er stammte aus einer der kargsten Gegenden des Tieflands, obwohl er sich unter den Armen nie arm vorgekommen wäre. Dafür gab es auch keinen Grund, mit seinen zwei Dreschmaschinen hatte er damals in der Gemeinde auf dem Tiszarücken als wohlhabender Mann gegolten. Die eine Maschine hatte er vor dem Krieg von seinem Vater geerbt, die andere aus dem Nachlass eines umgekommenen Juden erhalten, nachdem er glücklich aus der Kriegsgefangenschaft heimgekehrt war. Beide wurden ihm dann bald abgenommen, und seither lebte er fern von seiner Familie.
Er war gegangen, denn das hätte er doch nicht ertragen, dass ihn im Genossenschaftsdepot seine ehemaligen Tagelöhner herumkommandierten, nachdem sie ihm seine teuren Maschinen hatten wegnehmen lassen.
Aufs Steuer gestützt, beobachtete er im hohen Sattel der Dampfwalze hinter dicken Brillengläsern
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