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Parallelgeschichten

Parallelgeschichten

Titel: Parallelgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Péter Nádas
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zusammengedrückten Knie. Er war nicht allein mit dieser Regung, auch Hans tat das Seine. Er wühlte mit seiner großen Hand wieder in Ágosts Haar hinein und zog so lange daran, bis er damit den geneigten Kopf des vor ihnen hockenden André erreichte. Ágost wehrte sich nicht, er ließ es zu, mach halt, schien er zu sagen, es kommt nicht drauf an, was du tust. Und als seine Stirn Andrés Hinterkopf erreichte, lehnte Hans seinen eigenen weißen Kopf dagegen.
    Seine etwas feuchten weißen Borsten hatten einen scharfen, leichten Duft, anders als der schwere Geruch von Andrés dichtem dunklem Haar. Sie blieben ziemlich lange so, unwillkürlich mit geschlossenen Augen. Jeder genoss den warmen Atem des anderen. Auch darin war André der Kräftigste, er schnaubte geradezu. In seinem Atem lag der rohe Geruch von Gaumen, Zunge und Mundhöhle. Hans schnaubte sogleich mit ihm mit, übernahm seinen Rhythmus, er spielte damit, unterstrich ihn, kasperte herum. Als wolle er Ágost sagen, siehst du, der da ist wirklich wie ein Tier, aber er liebt dich trotzdem. Und er legte den anderen Arm um Andrés Hals, um sie gewissermaßen zusammenzuklammern.
    Hans’ Atem hatte einen süßen Duft.
    Sie saßen am Ende des Gangs im Dunkel ihrer geschlossenen Augen, jeder in seinem eigenen Dunkel.
    In der hellen Glashausstille hörte man außer dem Schlagen des Windes und des Regens lange Zeit nichts.
    Das Problem mit diesen feinen Sachen, Janilein, ist nur, sagte die dicke Frau neben der Eingangstür so leise und schleppend, als spräche sie während des Häkelns nur zu sich selbst, sie riechen. Das ist das Problem. Da kann man die Zähne putzen, soviel man will. Ich meine bloß, ich mag sie ja auch, nichts Besseres zum Frühstück als ein guter Schwartenmagen, mit ein bisschen Essig, aber auch so stößt er auf. Die Ärzte sagen, Mundgeruch hat man wegen der schlechten Zähne, aber meiner Ansicht nach hat man den auch vom Magen her. Und wo die Luft so dampfhaltig ist wie hier bei uns, da riecht man alles viel stärker.
    Sie blickte kurz auf. Und sah, dass der junge Mann verstanden hatte, sich ganz langsam zurückwandte und schon zu erröten begann, vom Hals an aufwärts. Das aber wartete sie nicht ab, sie wollte ihn mit ihrem genüsslich schadenfreudigen Blick verschonen.
    Ich weiß nicht, wie Sie das im Gellért hielten, fuhr sie fort, den Blick auf der Häkelarbeit, aber hier wissen wir das und halten uns an die Regeln. Unsere Gäste sind auch da ziemlich heikel. Sie werden sehen. Die behalten alles, aber auch alles im Auge, und sie reden auch in alles drein. Das Wasser im Männerbecken sei mindestens um zwei Grad wärmer, sie hätten deutlich das Gefühl. Dann steigt der andere heraus und sagt, heute ist es aber kälter. Wärmer, kälter, meinetwegen. Mir ist das egal. Dann mess ich eben die Wassertemperatur zehnmal am Tag. Dann können sie’s mit eigenen Augen sehen. Für die macht man das, zeigt es ihnen, denn woher soll man wissen, wer wer ist. Später erfährt man es dann schon, sehr genau sogar. Leider ist das so, Janilein. Ich meine bloß, man muss sie reden lassen. Ach, sagt man, tatsächlich, es ist kälter, und da freuen sie sich. Oder sie freuen sich, weil es tatsächlich wärmer ist. Man muss es so machen, dass sie sich freuen. In allem muss man ihnen nicht nachgeben, aber in fast allem. Sie wissen das noch nicht, Sie haben aufgrund Ihres Alters noch nicht so viel Erfahrung, aber Sie können mir glauben, dass die Menschen sich ähnlich sind, sehr ähnlich, und doch ganz verschieden. Manchmal halten wir uns daran, dass sie sich sehr ähnlich sind, dann wieder daran, dass sie ganz verschieden sind, was anderes können Sie auch vom Herrn Józsi nicht lernen, glauben Sie’s ruhig, Janilein. Sie schwieg eine Weile, und da keine Antwort kam, auch keine Frage und kein Widerspruch, kein Mucks, fügte sie fast etwas verlegen hinzu, ja, ja, ganz verschieden, die Menschen sind verschieden, Janilein.
    Sie war nicht ungeduldig.
    Sondern wartete ab, bis der andere das alles gründlich verdaut hatte, und als sie wieder aufblickte, stellte sie zufrieden fest, dass sie dem jungen Mann für die nächste Zeit den Kopf zurechtgestutzt hatte. Der neue Kabinenaufseher stand mit knallroter Miene vor ihr, hob nervös die Füße, als teile er Tritte aus, wie jemand, der fast aus den Nähten platzt oder den es in allen Gliedern zuckt. Eigentlich gefiel er ihr. Das war doch ein ganz netter Junge. Das breite, bäurische Gesicht, das jetzt gerade dauernd

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