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Parallelgeschichten

Parallelgeschichten

Titel: Parallelgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Péter Nádas
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in Bewegung war, die hervorstehenden Backenknochen, die milchweiße Haut, die dichten, wütend zusammengezogenen Augenbrauen. Er tat ihr ein bisschen leid, weil er so ungehobelt war.
    Mutterlos. Das war das Erste, was ihr in den Sinn gekommen war, und seither wurde sie diesen Eindruck nicht mehr los.
    Na, gehen Sie jetzt schön wieder an Ihre Arbeit, Janilein, fügte sie doch ziemlich barsch hinzu. Wischen Sie schon Ihren Gang auf, es geht ja auf zehn Uhr. Der Bademeister wird es nicht für Sie tun, das kann ich Ihnen garantieren.
    Das ging dem neuen Kabinenaufseher nun doch zu weit, das war mehr, als er ertrug.
    Er zögerte einen Augenblick, während ihm das mit viel falschem Schmuck behangene Frauenzimmer vom Gesicht ablas, womit er rang, dann konnte er sich nicht mehr zurückhalten.
    Sagen Sie das nicht, sagen Sie nicht, dass ich aus dem Mund stinke, keuchte er außer sich.
    Von Ihrem Mund habe ich nicht geredet, Janilein, lautete die würdevoll strenge Antwort, wie sollte ich denn so was Hässliches sagen. Aber dass Sie jeden Morgen Schwartenmagen und Knoblauchwurst essen, darauf würde ich Gift nehmen. Auch den roten Paprika rieche ich heraus. Kann ja sein, dass das Ihrer kleinen Braut gefällt, aber andere stört es. So, jetzt habe ich es Ihnen ehrlich ins Gesicht gesagt.
    Man wird mir noch vorschreiben, was ich frühstücken soll.
    Ich schreibe Ihnen überhaupt nicht vor, was Sie frühstücken sollen, mein Junge. Falls es aber eventuell der Bademeister tun würde, käme das nicht so gut heraus.
    Der neue Kabinenaufseher spürte, wie es ihn schauderte, so sehr hätte er diese Frau in ihr großes, ruhiges, glänzendes Gesicht schlagen oder ihren Tisch umschmeißen mögen. Diese verdammte Zicke hatte nicht nur herausgefunden, dass er eine Braut hatte, sondern auch, dass er zum Frühstück Dauerwurst aß.
    Das war weder zu fassen noch auszuhalten.
    Im Lukács trugen die Kabinenaufseher unabhängig von der Jahreszeit eine weiße Leinenhose und ein weißes Sporttrikot, nur die Bademeister hatten ein weißes kurzärmeliges Hemd an. Jetzt hatte er das Gefühl, ein eisiger Wind schlage gegen seine nackten Schultern. Ein eisiger Wind, der sich an heißen Schweiß haftet. Aber der Wind haftet ja gar nicht. Was ist los, fragte er sich entsetzt, was hat diese Frau getan, mir angetan, was ist los mit mir, hier. Womit er nicht unbedingt den Platz meinte, auf dem er stand. Ganz laut und groß wurde die Frage, obwohl er kein Wort herausbrachte. Aber auch er nahm mit heftigem Widerwillen seinen nach Knoblauch stinkenden Atem wahr. Ein ausgetrockneter, stummer Mund, aus dem er den Gestank nicht ausspucken konnte und von dem ihm schlecht war. Er hatte schon genügend Erbrochenes aufgewischt, hatte mit Scheiße und Papier verstopfte Toilettenschüsseln frei gepumpt, und jetzt schienen ihm diese Erlebnisse in den Mund zurückzuströmen. Es würgte sie aus seinem Magen herauf. Genau so, wie diese verdammte Zicke gesagt hatte. Vor sechs Monaten war er aus dem Militärdienst entlassen worden und hatte gedacht, es würde von da an alles besser, denn dort war er die ganze Zeit der Blödmann gewesen. Wie oft hatte er die schlammigen Gänge schrubben müssen, in der Wäscherei musste er die dreckigen Unterhosen in die Maschine stopfen, und er hatte auch den Befehl gehasst, aus Gittern und Abflüssen die seifigen Körperhaare herauszustochern. Wenn er sich nicht ins Zeug legte, brüllte ihn der Ausbilder an, verfluchtes Arschloch, und auch das, alles, musste er ertragen. Aber so raffiniert war er noch nie gedemütigt worden. Er blickte sich um, aber alle Türen waren zu, und das glatte Gesicht des Weibs immer noch wie vorhin. Wieso spüre ich dann diese verdammte Kälte im Rücken. Als könnte er nie mehr von diesen starren Augen loskommen. Von ihren auf die glänzende Stirn aufgemalten lächerlichen Augenbrauen. Von den blutroten Perlen, die an ihrem Hals, an ihren Ohren und an ihrem Arm klimperten. Er konnte sein inneres Zittern, Toben und Schimpfen noch so zu verbergen suchen, das Frauenzimmer sah es sowieso, sah alles, ihm sah man ja alles an.
    Er hätte brüllen mögen, brüllen, aber er hielt es so sehr zurück, dass es in seiner Kehle zu einem Winseln wurde. Das überraschte ihn selbst, er wusste nicht, wohin damit. Plötzlich flossen die Tränen, seine Kehle schnürte es so zu, dass er noch einmal aufjaulte. Sein Körper wurde steif, er zappelte auch nicht mehr mit den Beinen, stand wie angewurzelt vor dem Tisch der Frau. In seiner

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