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Parallelgeschichten

Parallelgeschichten

Titel: Parallelgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Péter Nádas
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auch eine wärmere Empfindung; als müsste er sich doch eher an sie halten. Für so was schämt man sich ja meistens. Um die Mächtigen scharwenzelt man lieber nur dann herum, wenn es die anderen nicht sehen, damit sie einem nicht den kleinen Vorteil neiden, den man sich verschafft. Er wollte die Frau seine eigene besondere Stellung fühlen lassen, die ihn ihr eigentlich gleichrangig machte. Hatte er doch einen Auftrag, der ihm eine wichtigere Rolle verlieh, als ihm von seiner Position her zukam.
    Falls man ihn aber behindern sollte, konnte er die wichtige Aufgabe nicht erfüllen.
    Ihr dort in Kispest haltet bestimmt auch Schweine, Janilein, sagte die Frau unvermittelt, als sie mit Zählen fertig geworden war. Ihr macht sicher gute Knoblauchwürste.
    Aber bitte doch endlich zu sehen, hinzuschauen, Frau Rózsi, was die da machen, insistierte der junge Mann, der vor Ungeduld nicht mehr nur flüsterte. Er beugte sich über den Tisch und sprach der mit unerschütterlicher Ruhe weiterhäkelnden Frau ins glänzende Gesicht.
    Und tatsächlich war es einer der nicht sehr häufigen Augenblicke, in denen die drei Männer ihrer Zärtlichkeit ohne weiteres freie Bahn ließen.
    Sie wussten genau, was sie taten. Es war ihnen auch klar, wo die Berührungen ihre Grenzen hatten. Aber für den außenstehenden Beobachter sah das alles eher beunruhigend aus.
    André kauerte in seinem nur knapp geschlossenen Bademantel immer noch vor Ágost, die Hände auf seinen Knien, aber er wollte ihm nicht mehr wehtun. Im Gegenteil, er musste ihm schnell etwas ganz Liebes tun. Tränen hilfloser Wut kamen ihm, er wollte seine sadistischen Regungen abwürgen, seinen Zorn unterdrücken. Er hatte ja den dummen Ulk erfunden, damit Ágost bei ihnen war und nicht mit Gyöngyvér ins Sportbad ging. Natürlich hatte Viola nichts mit ihnen abgemacht, nichts ausrichten lassen. Schon deshalb nicht, weil sie morgens mit ihrem Mann tatsächlich hierher zum Schwimmen kam, aber man die beiden nur gerade grüßen und höchstens ein paar harmlose Scherzworte wechseln konnte. André blieb nichts anderes übrig, er musste sich ganz unterwerfen. Das Haupt neigen vor der unfassbaren Qual des anderen Menschen; vielleicht war sie eine Krankheit oder eine seelische Schwäche, vielleicht auch die glückliche Qual einer neuen Liebe oder die unglückliche Qual der alten, oder etwas völlig anderes. Selbst dann das Haupt neigen, wenn er nichts verstand und vor den eigenen verräterischen Absichten erschrak.
    André neigte zu unnachsichtigem Spott, den er Ágost gegenüber schwer zurückhielt, denn er begriff das Ganze wirklich nicht. Er hatte keinen Humor, ohne den man aber Sadismus nicht verstehen kann. Sowohl den eigenen als auch den des andern nicht. Oder diese seltsame Qual, die Depression, doch ein wenig tiefer begreifen, sich hineinversenken, darüber reden, wenn er sie schon nicht abwehren konnte. Gleichzeitig sah André deutlich, dass der Vorgang unaufhaltsam war, dass es kein persönliches Opfer gab, mit dem man ihn hätte aufhalten können. Ágost versank, stürzte, und wieder würde es lange Wochen dauern, bis sie ihn aus der Tiefe heraufgeklaubt hätten.
    In solchen Momenten nahm Ágosts sensibles Gesicht starrsinnige, abweisende Züge an. Möglich, dass das sein wirkliches Gesicht war. Als hielte er alles um sich herum, Menschen und Dinge, für minderwertig, widerlich, verwerflich. Seine sowieso schon tiefliegenden Augen verengten sich ganz. André betrachtete ihn befremdet, aber er ergriff nicht mehr die Flucht, er wusste, dass er sich dieser unbekannten, beängstigenden Gefahr aussetzen musste. Nein, aufreißen, abbeißen musste er sie. Nur, wie sollte man das anfangen, er hatte ja nichts in der Hand. Er war jemand, der nur mit Sachverhalten, die er als Gegenstände betrachten konnte, etwas anzufangen wusste. Das war seine Eigenschaft, mit der er selbst am wenigsten umgehen konnte. Sein ewiger Tatendrang. Für den ihn die beiden anderen natürlich häufig auslachten, schließlich mussten ja alle drei in einer vernünftigen Distanz zu ihren Taten bleiben. Aber trotzdem. Mit beiden Händen presste er Ágosts gespreizte Knie erneut zusammen. Er kämpfte mit sich. Um ja nicht aus Versehen etwas Willkürliches, Gewaltsames, Schmerzhaftes zu tun und auch keinen Spott hineinfließen zu lassen. Zum Glück brachte er kein einziges Wort heraus. Und wie jemand, der nicht nur Demut zeigt, sondern den anderen auch um Gnade anfleht, neigte er plötzlich die Stirn auf die

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