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Parallelgeschichten

Parallelgeschichten

Titel: Parallelgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Péter Nádas
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Waschräumen der Internate lernen die Jungen, diese Sprache klar und deutlich und ohne Verzerrungen zu sprechen und zu verstehen. Dort nämlich, wo sie, sich selbst überlassen, um ihre Existenz und ihren Platz kämpfen müssen. Auch das war kein Zufall, dass der neue Kabinenmensch so aufgewühlt davongelaufen war. Er hatte verstanden, und hatte gute Gründe, nicht zur Kenntnis nehmen zu wollen, was er sah und hörte. Die Mehrheit der in einer Familie aufgewachsenen Männer benimmt sich töricht und beschränkt. Bevor er ans Ende des Gangs gelangt war und im dunklen, zu den Damenkabinen führenden Durchgang verschwinden konnte, rief ihm die hinter ihrem Tisch thronende Billettfrau etwas nach.
    Wohin rennen Sie denn so, Janilein. Solche Beine möchte ich auch haben.
    Der neue Kabinenaufseher blieb verwirrt stehen, was wollte diese Frau von ihm, und kehrte um.
    Ich will es nur rasch dem Herrn Józsi erzählen, antwortete er schnell und beflissen, wobei er nicht sagte, was er erzählen wollte, sondern sich mit vorsichtigen Schritten dem Tisch der Billettfrau näherte, als würde er damit schon etwas sehr Wichtiges und höchst Vertrauliches verraten.
    Er hatte Angst vor diesem Frauenzimmer. Natürlich musste er nach Möglichkeit tun, als bemühe er sich um ihre Gunst.
    Die Billettfrau hob ihr glänzendes Gesicht, das sie jeden Morgen dick mit Babycreme bestrich, nicht von ihrer Häkelarbeit. So leicht, mit einer so durchsichtigen Geheimnistuerei, ließ sie sich nicht einfangen. Und vor ihr auf dem Tisch lag auch das Heft mit den Häkelmustern, sie las gerade die Zahl der Maschen auf der sternförmigen, in Reihen eingeteilten Darstellung. Ihre Finger bewegten sich rasch, auch ihre Lippen, sie zählte. Das war ja nicht einfach ein unbeschwerter Zeitvertreib, dieses Häkeln. Sie arbeitete für die Marktleute, die damit über Land fuhren. Als sie bei einer runden Zahl angelangt war, die sie sich leicht merken konnte, blickte sie kurz und ungläubig auf.
    Aber Janilein, er ist doch vor Ihrer Nase ins Dampf rübergegangen. Da dürfen Sie aber nicht hin.
    Wirklich, sagte der Junge töricht, das habe ich gar nicht gemerkt, dass er ins Dampf rüberging.
    Bestimmt waren Sie wieder eingeschlafen, Janilein. Was treiben Sie nachts bloß wieder.
    Vom ersten Augenblick an, kaum hatte er sie gesehen, hatte er diese Frau gehasst wie seine eigene Mutter. Jetzt konnte er sich nicht mehr verteidigen, konnte nicht sagen, er habe nicht geschlafen, sondern durchaus gesehen, wie der Bademeister ins Dampf hinüberging. Er konnte machen, was er wollte, seine Lügen deckten sich nie, passten nie richtig zusammen. Irgendwo unterlief ihm immer ein kleiner Fehler, etwas hing heraus, das ihn angreifbar machte. Und diese Frau machte sich ganz einfach den Spaß, ihm nachzuschnüffeln. Die schnüffelte allen nach. Um ihre peinliche Aufmerksamkeit einigermaßen von sich abzulenken, beugte er sich über den Tisch und dämpfte die Stimme zu einem Flüstern.
    Bitte mal aufzupassen, was die da treiben.
    Die dicke Frau schaute aber überhaupt nicht dorthin, wohin der Kabinenjunge wollte, sondern warf ihm einen scharfen kleinen Blick zu. Als sagte sie verächtlich, na, was schwatzt der wieder für ungereimtes Zeug.
    Sie sollten mich jetzt nicht stören, Janilein, sagte sie laut, Sie sehen doch, dass ich zähle.
    Das tat sie wirklich, ihre schmalen, kleinen, knallrot geschminkten Lippen bewegten sich, auch wenn sie mit derselben Energie das Zählen ebenso gut hätte aufgeben können.
    In Wahrheit durchschaute sie diesen jungen Mann, sie spürte, dass er ihnen, wenn sie ihn nicht an die Kandare nahm, noch viel Scherereien bereiten würde. Sie alle ahnten schon, warum er so eilig hierher versetzt worden war. Es war ja niemand bei der Direktion vorstellig geworden, man brauche einen neuen Kabinenaufseher, und der Bademeister hatte vergeblich protestiert. Dem neuen Kabinenaufseher aber fiel nicht ein, wie er abtreten könnte, ohne das Gesicht zu verlieren, er stand bloß unbeholfen vor der Frau herum, die gerade das hatte erreichen wollen. Er sollte hier bei ihr bleiben. Nicht zu den Umkleidekabinen hinübergehen. Manchmal ging er dahin, um den zwei jüngeren Frauen zu helfen, die die Billettfrau natürlich auch nicht ausstehen konnten, diese Rózsi, die ihnen den Marsch blies.
    Überhaupt verstand er das ganze System nicht. Diese Frau schien im Schwimmbad mehr Macht zu haben als der Bademeister persönlich. Und seitdem er das gemerkt hatte, trieb ihn neben dem Hass

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