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Parallelgeschichten

Parallelgeschichten

Titel: Parallelgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Péter Nádas
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kindliches Profil.
    Es war unverständlich, warum so viel Unschuld und Sanftheit zu solcher Größe gewachsen waren, warum er solche mächtigen Muskeln hatte. Von seinem Freund, einer eitlen und leicht beleidigten Person, ließ sich schon viel eher allerlei Schnödes annehmen.
    Auch das war bloß Spiel, wie er seine Sohlen aufs Wasser knallte; er watete nicht, sondern platschte hinein. Und wie er sich mit offenen Armen dem anderen näherte und raubvogelartig auf ihn niederfuhr, ihn aufschlürfte und sich einverleibte, auch das war Spiel. Döhring wäre so gern der Freund dieses nackten Riesen gewesen, dass er auch das äthiopische Mädchen vergaß. Er versetzte sich an die Stelle des zierlichen schwarzen Mannes, wie er in der Umarmung seines Freundes versank.
    Plötzlich merkte er, dass die Athletin mit ihm redete.
    Irgendwie hatte die kaum erhobene Frauenstimme sein Bewusstsein mit Verspätung erreicht.
    Die Frau redete ganz teilnahmsvoll, fragte, ob die Verletzungen an seinen Beinen schlimm seien.
    Er verstand zunächst gar nicht, was sie wollte, warum sie fragte, was seine Verletzungen sie angingen.
    Es war, als decke sie seine Gefühle auf, sein leidenschaftliches Bedürfnis nach einem Freund. Als wolle sie ihn von den zwei Männern ablenken. Er empfand ihre Einmischung als unpassend, als beleidigend, als eine Art Verdächtigung. Im Wasser schlug jetzt der leichte Körper eines glänzenden schwarzen Tiers um sich, unter dem Gewicht eines mächtig leuchtenden weißen Tiers. Die Athletin sprach rasch, sie hatte eine angenehme Stimme, mit der sie Döhring näherkam. Sie redete der Zeit ein bisschen voraus, sie wusste, was sie tat und warum und musste nicht lange nach Worten suchen.
    Döhring gab sich Mühe, höflich zu bleiben, er sagte, es blute etwas, er verdanke es seiner Ungeschicklichkeit.
    Und als wolle er zeigen, wie belanglos die Sache sei, zog er rasch die Hosenbeine wieder herunter.
    Die Bewegung konnte man natürlich auch so verstehen, dass er das Interesse des anderen Menschen zurückwies.
    Inzwischen packten mächtige Arme den Körper des zappelnden braun gebrannten Mannes, knüllten ihn zusammen, beide genossen den Kampf.
    Er sagte, er habe sich auch schon schlimmer verletzt.
    Der zusammengekugelte dunkle Körper flog weit über das Wasser, platschte wie ein Sack hinein, war aber wie ein Aal gleich wieder an der Oberfläche. Seine ganze Masse ausstreckend, warf sich der weiße Riese ihm nach, aber der andere entschlüpfte ihm und hüpfte graziös umher. Vielleicht hatte der Riese seine Beine erwischt, jedenfalls tauchten beide unter, und da sie unter Wasser weiterkämpften, sah man während langer Augenblicke nichts als Gliedmaßen, Wasserspritzer, Schädeldecken, nach Luft schnappende Münder, und dazu hörte man Hilferufe, Lachen, Gegurgel.
    Dann ist es wohl besser, wenn Sie nicht ins Wasser gehen, sagte die Athletin zu Döhring.
    Ja, antwortete Döhring höflich, das meine er auch.
    Sie sprachen mit etwas erhobener Stimme, sie mussten die Distanz und auch das Lärmen der beiden Männer übertönen.
    Ich würde raten achtzugeben, rief die Athletin, Ende Sommer sind die Gewässer nicht mehr so sauber. Solche Wunden sind schnell mal infiziert. Vielleicht wisse er es nicht, aber diese Seen seien stehendes Gewässer.
    Nein, er habe überhaupt nicht im Sinn, ins Wasser zu gehen.
    Na, gerade deswegen sage sie’s, deswegen frage sie, rief die Frau rasch und rätselhaft.
    Entschuldigen Sie mal, erwiderte Döhring gereizt, womit haben Sie eigentlich ein Problem.
    Wenn er nicht ins Wasser zu gehen wünsche, rief die Frau fröhlich, was er hier dann sonst zu tun wünsche, nur das frage sie, sonst nichts. Ihre persönliche Meinung in direkterer Form auszudrücken fände sie nicht angebracht.
    Das Geplansche, Gepatsche und Gespritze, die Rufe und das Lachen hörten mit einem Mal auf, und obwohl Döhring in der plötzlichen Stille schon mitbekam, was die Frau sagte und wie sie es sagte, musste er trotzdem auf den See schauen. Dort, im tiefen Wasser, wo man keinen Grund mehr unter den Füßen hatte, schwebten auf der Oberfläche zwei Köpfe einander gegenüber. Sie kamen sich nicht näher, entfernten sich auch nicht, nur hin und wieder hoben sich ihre Schultern ein wenig heraus. Die beiden traten Wasser und hielten sich an den Armen fest.
    Der Wasserspiegel um sie herum wurde allmählich glatt. Kühles Wasser zieht die Haut über den Knochen zusammen.
    Die Gesichter waren fast ernst, sie achteten auf nichts, nur

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