Paranoia - Hoer Auf Ihre Stimme
Wahrheit auf zweien …«
Tolan richtete den Lichtstrahl in die entsprechende Richtung – und dort war sie, zusammengekauert unter einem Pfefferbaum sah sie Lisa und ihn aus dunklen, wilden Augen an. Sie war nicht das Produkt seines verwirrten Geistes, sie war echt. Ausgesprochen echt.
»Abby«, sagte er, überwältigt von Schmerz, doch auch unfassbar erleichtert. Sie lebte. Sie war zurückgekehrt, und sie wirkte nicht im mindesten gefährlich. Sie war wieder die Frau, die er fünf Jahre zuvor kennengelernt hatte, die ihn in ihr Bett gelassen und in ihr Herz geschlossen hatte.
Seine verlorene Seele.
»Oh, mein Gott«, wiederholte Lisa mit zitternder Stimme und hielt sich schussbereit.
»Nein!«, schrie Tolan und schlug ihr mit der Taschenlampe gegen den Arm. Krachend löste sich ein Schuss. Tolan drehte sich zu Abby um – sie war nicht mehr dort.
56
»Lieber Himmel!«, sagte eine Stimme. »Was zum Teufel ist denn mit Ihnen passiert?«
Blackburn hatte den Mund voller Blätter. Er spuckte sie aus und öffnete die Augen. Sein Kopf fühlte sich an, als sei er auf die doppelte Größe angeschwollen. Er rollte sich auf die Seite und lenkte seinen Blick mühsam in Richtung der Stimme. Alles, was er erkennen konnte, waren zwei ineinander übergehende Lichtkegel. Er sah doppelt. So ein Mist!
»Da hat Sie wohl jemand ausgetrickst«, sagte die Stimme. Hände griffen nach ihm und richteten ihn auf. Clayton Simm hockte sich neben ihn und leuchtete mit seiner Taschenlampe auf Blackburns Kopf. Zunächst betastete er das Schmetterlingspflaster, anschließend eine Stelle oberhalb von Blackburns Schläfe. Sie fühlte sich feucht an. Blackburn zuckte, als ihn ein stechender Schmerz durchfuhr.
»Sieht schlimm aus«, sagte Simm. »Sie sollten sich nicht zu viel bewegen.«
»Was machen Sie denn hier draußen?«
»Feueralarm. Einige Patienten sind auf und davon. Ich dachte, ich hätte einen Schuss gehört. Hat einer der Patienten Sie angegriffen?«
»Nein«, antwortete Blackburn und versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen. »Oder – vielleicht. Ich weiß nicht.« Blinzelnd sah er Simm an. »Ich dachte, Sie machen die Nachtschicht.«
»Dank Ihnen und etwa zehn Tassen Kaffee sind meine Schlafgewohnheiten etwas durcheinandergeraten. Und da ich schon einmal wach war, dachte ich, ich könnte auch etwas Sinnvolles tun.«
»Da haben Sie sich ja genau die richtige Nacht ausgesucht! Helfen Sie mir auf.«
»Ich glaube, Sie sollten –«
»Tun Sie es einfach!«
Simm stand auf, streckte die Hand aus und zog Blackburn hoch. Alles drehte sich. Blackburn musste sich an Simms Arm festhalten, bis er wieder einigermaßen stehen konnte.
»Genau das habe ich gemeint. Vielleicht sollten Sie sich wieder hinsetzen. Ich hole Hilfe.«
Blackburn antwortete nicht und kämpfte gegen den Brechreiz an. Noch immer sah er alles doppelt. »Wo ist meine Glock?«
Simm ließ den Lichtstrahl über den Boden gleiten. »Ich sehe sie nirgends.« Plötzlich entdeckte er etwas und hob es auf. »Haben Sie das verloren?«
Es war ein Fetzen Zeitungspapier. Der Bericht über Anna Marie Colson, den Kat in Tolans Haus gefunden hatte. Er musste ihm aus der Manteltasche gerutscht sein, als er zu Boden ging. Das Papier war nass, aber nicht durchgeweicht. Simm sah sich das Foto der Studenten an. Auch Blackburn versuchte den Blick scharf zu stellen und betrachtete es noch einmal genauer.
Er sah in die jugendlichen, frischen Gesichter und war plötzlich überrascht. Etwas war ihm bisher entgangen. Eine Person sah nicht in die Kamera, hatte den Blick abgewandt und eine merkwürdige Miene aufgesetzt.
»Ist das Michael?«, fragte Simm.
Blackburn sah unwillkürlich auf Tolans lächelndes Gesicht, dann riss er Simm den Zeitungsartikel aus der Hand und steckte ihn wieder in die Manteltasche.
»Ich muss zur alten Klinik.«
»Warum?«
»Bringen Sie mich einfach auf den Fußweg. Ich komme dann schon allein zurecht.«
»Den Eindruck habe ich nicht«, sagte Simm. »Wenn ich Sie loslasse, fallen Sie sofort auf die Schnauze.«
Blackburn wischte sich ein nasses Stück Laub von der Wange. »Wäre nicht das erste Mal.«
Tolan huschte zwischen den Bäumen hin und her, bis er endlich die Ruine der alten Klinik erreichte. Es regnete inzwischen so stark, dass die unebene Einfahrt im Schlamm versank.
Er glaubte, Abby nach dem Schuss noch einmal gesehen zu haben, in einigen Metern Entfernung. Ohne sich umzudrehen, war er sofort hinter ihr hergerannt, mit Lisa im
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