Paranormal - Fuenf Romane mit Patricia Vanhelsing
kommen gehört hatte. Die alte Dame saß in einem der großen Ohrensessel und hatte die Nase in einem gewaltigen Folianten. Ich ließ den Blick schweifen. In Tante Lizzys Bibliothek befanden sich mehrere kleine runde Tische, die sie irgendwann einmal antiquarisch erworben hatte.
Außerdem war da noch ein monströser Schreibtisch, der durch die geschnitzten Dämonenköpfe an allen vier Ecken auffiel. Einen ähnlichen Schreibtisch hatte Tante Lizzy uns zum Einzug in unsere Wohnung schenken wollen.
Glücklicherweise war Tante Lizzy dann eingefallen, dass sie diesen Tisch für ihre Studien brauchte und so stand er inzwischen im Obergeschoss. Dort, wo ich früher gewohnt hatte.
Tante Lizzy schrak zusammen, als sie mich bemerkte.
"Kind, willst du, dass ich einen Herzinfarkt bekomme?", stieß sie hervor und atmete mehrmals sehr heftig.
"Tut mir Leid, ich - "
"Du hast dich ja richtig angeschlichen...."
"Eigentlich dachte ich, dass ich genug Krach gemacht habe..."
Sie zuckte die Achseln und klappte den großen Lederfolianten, der auf ihren Knien ruhte, zu.
Dann stand sie auf und legte den Band auf einem der runden Tischchen ab, von denen jeder eigentlich schon völlig überladen war. Die Notizen von Onkel Frederik!, erkannte ich, als ich die handschriftlich beschriebenen Blätter sowie ein gutes Dutzend braun eingebundener Kladden sah.
In letzter Zeit beschäftigte sie sich wieder sehr oft mit den Hinterlassenschaften ihres verschollenen Mannes. Das war auch früher in Intervallen von mehreren Jahren so gewesen, wenn Trauer und Sehnsucht die alte Dame zu übermannen drohten. Nun war es wieder soweit. Was der Auslöser dafür war, konnte ich nicht genau sagen. Vielleicht der plötzliche Tod ihres Bekannten und Vertrauten Hugh St. John, einem Chemiker, der ihr bei ihren Studien geholfen hatte und dessen jähes Ende ihr die eigene Einsamkeit vielleicht noch eindrücklicher vor Augen führte.
Unsere Blicke begegneten sich.
Wir brauchten nichts zu sagen.
Tante Lizzy verstand mich auch so. Ein leicht melancholisches Lächeln spielte jetzt um ihre Lippen herum und ein trauriger Glanz trat in ihre Augen.
"Man sollte nicht in der Vergangenheit leben, ich weiß...", murmelte sie. "Aber in letzter Zeit komme ich von diesen Dingen gedanklich nicht los. Es ist wie ein Zwang. Ich sitze Nacht für Nacht da und blättere in diesen Aufzeichnungen. Es muss doch irgend etwas geben, dass einen Hinweis darauf gibt, was mit Frederik geschehen ist! Immer wieder hämmert dieser Gedanke in meinem Kopf."
Sie wirkte so verzweifelt.
Ich konnte sie verstehen.
Sie atmete tief durch. "Am liebsten würde ich selbst in den brasilianischen Dschungel fliegen und nach Frederik suchen. Aber das Klima dort würde mich auf der Stelle umbringen. Du weißt, mein schwaches Herz..." Sie schüttelte langsam den Kopf. Ihr Blick wirkte abwesend. Einige Augenblicke lang schwieg sie. Ich hatte das Gefühl, etwas sagen zu müssen - irgend etwas - aber der dicke Kloß in meinem Hals verhinderte, dass ich auch nur ein einziges Wort herausbrachte. Welchen Trost hätte ich Tante Lizzy auch geben können? Niemand wusste, was mit Frederik damals geschehen war. Wenn er die Möglichkeit zur Rückkehr gehabt hätte, so hätte er sie zweifellos genutzt. Man konnte eigentlich nur zu dem Schluss kommen, dass Frederik Vanhelsing nicht mehr lebte.
Aber der letzte Rest an Ungewissheit in dieser Frage raubte Tante Lizzy den Schlaf.
Ich zögerte, ehe ich von meiner Vision erzählte - und von den Agenturmeldungen, die Jim Field am Morgen auf meinen Schreibtisch geworfen hatte. Schließlich war ich mir nicht sicher, was ich damit auslöste. Ich wollte unter allen Umständen vermeiden, dass Tante Lizzy sich weiter in diese Sache hineinsteigerte. Andererseits waren wir immer offen und ehrlich zueinander gewesen. Und es wäre mir wie ein schlimmer Vertrauensbruch vorgekommen, wenn ich ihr das, was ich erfahren hatte, verschwiegen hätte.
So berichtete ich ihr alles - so knapp wie möglich und so ausführlich wie nötig.
Tante Lizzy hörte mir aufmerksam zu.
Ihre Augen glänzten dabei.
Vielleicht hilft es ihr sogar, wenn sie für mich etwas recherchiert!, dachte ich. Die Toten, die in Brasilien, nach den Angaben der Zeugen von einem Mischwesen aus Mensch und Schlange umgebracht worden waren, erwähnte ich natürlich auch.
"Ich werde irgendwann in nächster Zeit zum HAUS DER GÖTTER reisen", sagte ich. "Im Traum war ich ja bereits dort... Es war eine furchtbare Situation.
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