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Paris ist eine Messe wert

Paris ist eine Messe wert

Titel: Paris ist eine Messe wert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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fragte, warum das Tor, das wir bewachten, nicht, wie es Vorschrift war, von innen durch steingefüllte und übereinander gestapelte Fässer verstärkt, sondern so gründlich von dieser Sicherung freigeräumt war, daß zwischen dem König und uns nur noch das Holz der Torflügel lag.
    »Das hat Monsieur de Brissac mir so befohlen«, sagte er und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. »›Haupt mann ‹, hat er gesagt, ›heute räumt Ihr mir ungesäumt die Porte |439| Saint-Denis frei. Das ist ein Befehl‹, sagte er, ›der keinen Aufschub duldet, denn ich will besagtes Tor zu größerer Sicherheit pflastern lassen.‹ Sieh an, dacht ich, und von dem Moment, wo man freiräumt, bis zu dem Moment, wo mit Steinen und Mörtel gepflastert wird, liegt eine Zeit, in welcher das Tor sich öffnen kann, und öffnen für wen? Drauf will ich meinem Brissac in die Augen blicken, kann’s aber nicht, weil er schielt und ich nicht weiß, in welches Auge ich sehen soll: das ligistische oder das königliche? Ich sag Euch, Gevatter, wenn Brissac, wie es heißt, sich den Spaß macht, in einer Ratssitzung Fliegen zu fangen, ist die fetteste Fliege, die er fängt, Feria. Denn so, wie ich das Tor nach Saint-Denis räumen mußte, höre ich, daß mein Gevatter Maurin auf Brissacs Befehl das Neue Tor räumen mußte. Sieh einer an, denk ich, den Schnurrbart gesteilt, das Neue Tor! Haha!«
    »Und warum die Sorge?« fragte ich.
    »Mein Freund«, sagte Tronson in unendlich überlegenem Ton, »Euer Wein ist nicht der schlechteste, aber man sieht, daß Ihr das Licht der Welt nicht in Paris erblickt habt. Das Neue Tor liegt am Ende vom Tuileriengarten. Es ist das nächste zum Louvre.«
    »Das weiß ich«, sagte ich, als wäre ich eingeschnappt.
    »Aber Ihr wißt natürlich nicht«, fuhr Tronson fort, »daß, als unser Brissac in Paris die Barrikaden zum Nutzen des seligen Herzogs von Guise baute, der selige König durch ebendieses Neue Tor aus Paris floh, weil es, wie gesagt, dem Louvre am nächsten war.«
    »Auch das weiß ich«, sagte ich. »Trotzdem sehe ich nicht, was Euch daran stört.«
    »Ach, Gevatter, das kommt, weil Euch der Wein das Gehirn vernebelt. Holla, die Flasche bitte! Ihr laßt mich soviel reden, daß mir die Kehle ausdörrt.«
    Monsieur de La Surie reichte ihm die Flasche, und er trank.
    »Gevatter«, sagte er, prahlerischer denn je, »wäre es nicht komisch, wenn Heinrich IV. bei Nacht durch dasselbe Neue Tor nach Paris einzöge, durch welches Heinrich III. aus seiner Hauptstadt floh?«
    »Und wer«, fragte ich, »zöge dann durch das Saint-Denis-Tor ein, da es ja auch geräumt ist?«
    »Weiß ich nicht«, sagte Tronson, »einer von den königlichen |440| Mannen: Monsieur de Vic, Monsieur de Vitry, Monsieur de Biron oder Monsieur d’O…«
    »Und was macht Ihr dann?«
    »Mein Vater«, erklärte Tronson mit ernster Miene, »hat gesagt: ›Sohn, steck die Finger nicht in einen Topf, ohne zu wissen, was drin gekocht wird.‹«
    »Das hörte ich schon von Euch«, sagte ich.
    »Ja, und das werdet Ihr noch öfter von mir hören, weil es nämlich Weisheit ist. Hinwiederum, wenn einmal gekocht und der Deckel abgenommen ist, wird man wohl davon kosten müssen, nicht wahr?«
    »Wahr.«
    »Mein Vater hat nämlich auch gesagt: ›Sohn, gib acht, daß du nicht gegen den Strom ruderst: Dein Kahn käme nicht weit!‹ Und wär es nicht ein Jammer, Meister Coulondre, wenn ich, ein echtbürtiger Franzose und Urpariser, mich aufspießen ließe für den Herzog von Feria?«
    »Nein«, sagte Monsieur de La Surie, »man soll beileibe nicht verwechseln, wer die Särge macht und wer die Leiche abgibt.«
    »Miroul«, sagte Tronson, »du sprichst Gold.«
    »Demnach, Gevatter«, sagte ich, »greift Ihr nicht nach den Waffen, wenn das Saint-Denis-Tor sich heute nacht öffnet?«
    »Warum nicht?« sagte Tronson, »nur greife ich vorher nach der weißen Schärpe. Findet Ihr mich schlimm?«
    »Ich werde mich hüten.«
    »Wenn der König sich zu meiner Religion bekehrt«, fuhr Tronson mit einer gewissen Feierlichkeit fort, »darf ich mich dann nicht vom Ligisten zum König bekehren? Ganz unter uns, was meint Ihr?«
    »Ihr habt recht«, sagte ich, »und was mich betrifft, ich mache es genauso wie mein Hauptmann.«
    »Ich auch«, sagte Monsieur de La Surie.
    »Das läßt sich hören«, sagte Tronson. »Gevatter, trinken wir auf unsere Einigkeit!«
    Dieses weinselige Gespräch fand in der kleinen Wachstube überm Saint-Denis-Tor statt, das nach der

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