Paris ist eine Messe wert
Worte sind Griechisch für mich. Ich wäre Euch dankbar, wenn Ihr Euch näher erklärtet.«
»Meine Worte, Herr Graf, erhellen sich durch einen Brief von Monsieur de Saint-Luc, den ich Euch zu übergeben habe.«
»In wessen Auftrag? Seinem eigenen?« fragte Brissac, der in Blitzesschnelle gar nicht mehr dumm noch schläfrig wirkte.
»Nein, Herr Graf, sondern einer höher im Staat stehenden Person, die ich nicht nennen darf, die jedoch an den Angelegenheiten Monsieur de Saint-Lucs wie auch den Euren höchstes Interesse nimmt.«
»Wenn Ihr sie nicht nennen könnt, wie soll ich sie dann kennen?« sagte Brissac, indem er mich gutmütig und ein wenig fragend ansah. »Und wenn ich sie nicht kenne, nun, dann kann ich von ihrem Interesse nur gerührt sein. Monsieur, ich muß gestehen«, setzte er mit einem Seufzer hinzu, indem er seinen scheelen Blick durch den Raum schweifen ließ, »daß Eure Reden mein Verständnis übersteigen. Darf ich Euch bitten, mir den Brief von Monsieur de Saint-Luc auszuhändigen?«
»Hier ist er, Herr Graf«, sagte ich, indem ich ihn aus meinem Wams zog.
Monsieur de Brissac erbrach das Siegel, entfaltete das Sendschreiben und begann zu lesen. Was seine Aufmerksamkeit so beanspruchte, daß er vergaß, seine Züge zu überwachen, und statt der vorigen Miene eines tolpatschigen und nicht sehr aufgeweckten Hundes zeigte sich auf einmal der Ausdruck eines gerissenen Fuchses.
»Monsieur«, sagte er, indem er den Brief einsteckte und mich aus seinen schönen Schielaugen, wieder ohne jeden Geistesfunken, anblickte, »ich muß zugeben, daß ich kein Wort dieses Schreibens verstehe. Mein geliebter Schwager, Monsieur de Saint-Luc, spricht hier von einer Erbschaft und bittet mich deshalb, nach Saint-Denis zu kommen. Aber wie soll ich dorthin kommen, da der Krieg zwischen Navarra und der Heiligen Liga wieder im Gange ist?«
»Nun, besagter Krieg«, versetzte ich, »ruht ja im Umkreis der Hauptstadt, und ich habe hier einen auf Euren Namen ausgestellten Paß des Königs von Navarra, der für Eure Sicherheit bürgt, sobald Ihr unsere Mauern verlaßt.« Womit ich besagten Paß aus meinem Wams zog und ihm überreichte, und er las ihn |434| aufmerksam. Doch anstatt ihn wie den Brief einzustecken, behielt er ihn in der Hand, die auf seinem Knie ruhte.
»Ich muß sagen«, hob er nach einer Weile an, »ich bin ganz sprachlos über diese unbegreiflichen Neuigkeiten. Der König von Navarra schickt mir einen Paß! Und Monsieur de Saint-Luc fordert mich auf, ihn in Saint-Denis zu besuchen, um über eine Erbschaft zu reden, bei der es um mein größtes Interesse gehe. Heilige Jungfrau, ich bin völlig ratlos! Um welche Erbschaft kann es sich denn handeln?«
Ich fand, er treibe Täuschung und Dummheit reichlich weit, selbst wenn er mich durch diese Komödie bewegen wollte, mehr von meinen Karten aufzudecken. Was ich nun tat, indem ich mich jedoch seiner Sprache bediente.
»Herr Graf«, sagte ich, »woher sollte ich das wissen, kenne ich doch weder den Brief von Monsieur de Saint-Luc noch Eure Privataffären. Dennoch glaube ich, daß es um eine Erbschaft geht. Es kann sein, daß wir nach den Gesetzen des Blutes irdisches Gut erben. Es kann aber, allgemeiner gesprochen, auch sein, daß uns ein Gut auf Grund unserer Taten und Vorzüge zufällt. In der Hinsicht scheint es mir, daß Eure militärischen Talente, die unter der vorigen Herrschaft nicht recht gewürdigt, von Monsieur de Mayenne aber voll anerkannt wurden, indem er Euch zum Marschall von Frankreich ernannte. Nur steht es um diese Ehre etwas heikel, weil Mayenne nicht der König von Frankreich ist und daher nicht befugt war, sie zu vergeben. Hinwiederum darf man hoffen, daß jene Person, die Monsieur de Saint-Luc protegiert und die auch an Euch Interesse zeigt. Eure Verdienste zu schätzen weiß und Euch besagte Ehre verleihen würde, sobald sie dazu in der Lage ist. Was übrigens nur der erste, nicht der letzte jener ›großen Vorteile‹ wäre, die Monsieur de Saint-Luc Euch vorzuschlagen hätte und die er Euch im einzelnen unterbreiten würde.«
Monsieur de Brissac hörte diese Rede mit einem kleinen Glitzern in den Augen, das aber, sowie ich endete, wieder der einfältigsten Seelenruhe wich.
»Ich muß zugeben, Monsieur«, meinte er dann, »ich bin so klug als wie zuvor, und meine Laterne brennt nicht heller. Zwar verstehe ich«, fuhr er mit verwundertem Blick auf den Paß fort, den er im Schoß hielt, »daß ich ungehindert nach Saint-Denis
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