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Partitur des Todes

Partitur des Todes

Titel: Partitur des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Seghers
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einem Satz: Das Wetter warso gemäßigt, wie es einem Mann seinesAlters guttat.
    Heute war Sonntag, der 29.Mai des Jahres 2005.Monsieur Hofmann war aufgeregt und guter Dinge.AmAbend würde er zum ersten Mal in einem Fernsehstudio sitzen und Auskunft über sich geben. Noch wusste er nicht, welche Folgen dieser Tag für ihn haben sollte. Dennoch hatte ihn eine kleine Unruhe erfasst, die er sowohl mochte, als auch zu unterdrücken suchte.
    Er war noch ein halbes Stündchen früher aufgestanden als sonst, hatte die grünen Fensterläden geöffnet und einen ersten Blick über die Dächer der Stadt und über den Père Lachaise geworfen, wo die hellen Steine der Grabmale in der Sonne leuchteten. Er war in die Küche gegangen, hatte den Kessel mit Wasser gefüllt und auf den Herd gestellt. Als er sich rasiert und die Zähne geputzt hatte, hatte er den Kopf gehoben und gelauscht. Für einen Moment hatte er befürchtet, zum ersten Mal vergessen zu haben, den Herd einzuschalten, aber dann hatte ihm das Pfeifen des Kessels signalisiert, dass er noch Herr seiner Sinne war und das Wasser zur gewohnten Zeit heiß.
    Die erste Tasse Kaffee hatte er im Stehen getrunken, dann war er zurück ins Bad gegangen, um eine Dusche zu nehmen. Er war stolzdarauf, dass man ihn schon immer als reinlich bezeichnet hatte, und versuchte, diesem Ruf auch imAlter gerecht zu werden. Seine Hosen waren stets frisch gewaschen, seine Hemden gebügelt und die Schuhe geputzt. Umso mehr ärgerte er sich nun, als er entdeckte, dass ein wenig von dem Blut auf seine Hose getropft war, sodass er sich noch einmal umkleiden musste.
    Schließlich setzte er seinen Strohhut auf, zog die Wohnungstür hinter sich ins Schloss, stieg die vier Stockwerke hinab und betrat eine Minute später die Place Nadaud, an der er seit über dreißig Jahren wohnte. Wie nahezu jeden Morgen begann er seinen Gang durchs Viertel mit einem Besuch imJournal, einer Bar gegenüber der Metro-Station.Als er sah, dass Sandrine die Morgenschicht hatte, lächelte er und nickte ihr zu. Wie immer nahm er die neuesteAusgabe von Le Monde vom Haken, bestellte eine Tartine und einen Milchkaffee und war bereits in dieLektüre vertieft, noch bevor ihm Sandrine das Gewünschte gebracht hatte.Im Fernseher, der unter der Decke befestigt war, lief die Wiederholung eines Fußballspiels vom Vorabend, aber keiner der wenigen Gäste, die sich imJournal befanden, schaute hin.Als er sein Frühstück beendet hatte, legte Monsieur Hofmann die Zeche und ein Trinkgeld, das er bereits abgezählt hatte, auf den kleinen Plastikteller, grüßte noch einmal und machte sich auf den Weg.
    Er lief die schattigeAvenue Gambetta hinab und bog an deren unterem Ende ab in den breiten Boulevard de Ménilmontant. Vor ihm ging eine junge Frau mit dunkler Haut. Sie trug ein blaues Kostüm mit weißen Punkten. Sie hielt die Hand eines kleinen schwarzen Mädchens, das sich gelegentlich zu Monsieur Hofmann umwandte. Er lächelte der Kleinen zu, aber ihr Gesicht zeigte nurungerührte Neugier. DerAlte warf einen kurzen Blick auf die Beine der Mutter, dann dachte er an den Tod.
    Er dachte an seine Beerdigung und an die Freunde und Bekannten, die an seinem Grab stehen würden. Er hoffte, dass es an diesemTag nicht regnen würde und sich niemand beeilen musste, nach Hause zu kommen. Die Sonne sollte scheinen, aber es sollte auch einen Baum geben, unter dem man im Schatten zusammenrücken konnte. Nachher sollte man gemessenen Schrittes den Friedhof verlassen und irgendwo noch gemeinsametwas trinken, um ein paar Erinnerungen an den Verstorbenen auszutauschen. Man sollte den Tag seiner Beerdigung als einen schönen Tag im Gedächtnis behalten. So wünschtees sich Monsieur Hofmann.
    Ein paar Menschen würden um ihn trauern, aber man würde dem Viertel nicht anmerken, dass gerade jemand gestorben war, der hierseit Jahrzehnten gelebt hatte.Am nächsten Morgen würden die Händler wieder ihre Marktstände aufbauen, die Pizzaboten würden mit ihren roten Mopeds durch die Straßen flitzen, die Afrikaner von der Straßenreinigung würden mit ihren Besen die Bürgersteige fegen und die Restaurantbesitzer ihre Stühle auf die Straße stellen.Alles würdeso weitergehen wie bisher. Beunruhigte ihn dieser Gedanke? Ja und nein. Monsieur Hofmann war davon überzeugt, dass nur derjenige das Leben zu schätzen wusste, der sich seiner Endlichkeit bewusst war. Wenn man jung war, musste man gelegentlich an den Tod denken, um vor lauter Übermut nicht einfältig zu

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