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Pas de deux

Pas de deux

Titel: Pas de deux Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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dich wohl?« murmelte ich.
    »Ah! Henri-John, bitte … Laß mich in Ruhe!« knurrte sie und warf mir einen vernichtenden Blick zu.
    Schön, sie hatte keine Drogen genommen. Sie war sogar in Hochform, aufbrausend, schroff wie ein Fels. Wahrscheinlich ein wenig bestußter als sonst. Meiner Meinung nach war ihr irgend etwas zu Kopf gestiegen. Wortlos, ganz verächtliches Lächeln, erhob ich mich wieder.
    Im Grunde hatte ich nur bekommen, was mir zustand, ich war eben viel zu nett. Die Mädchen, kein Zweifel, das war nichts als Schau und Theater. Ich hörte noch die Reden, die sie über Jungs und Männer im allgemeinen schwang, das höhnische Lachen, das sie ihr angeblich abnötigten, sofern es nicht eine angewiderte Grimasse war, begleitet von einigen Worten, so beleidigend, daß sie endgültig schienen. Aber natürlich hatte nur der erstbeste Schwachkopf daherkommen und Interesse für sie heucheln müssen – und der da, der war bestimmt nicht Marlon Brando –, schon seufzte sie vor Wohlbehagen, glotzte wie ein Mondkalb und machte ihr Höschen naß.
    Ich haßte sie dafür, daß sie mir etwas vorgemacht hatte, daß sie sich schleunigst, kaum daß sich die Gelegenheit bot, ein anderes Mäntelchen übergezogen und ohne jede Scham selbst verleugnet hatte, ich fühlte mich verraten und der Lächerlichkeit preisgegeben, weil ich ihren Humbug für bare Münze gehalten hatte. Und ich hörte eine Stimme, die mir ins Ohr raunte: »Siehst du … Vergiß das niemals. Halt die Augen auf und lerne … Und sei dir niemals sicher, ganz gleich, worum es geht.«
    Die Sandwichs waren weich geworden. Ich schnappte mir trotzdem eins, um mich zu beschäftigen, und schwang mich auf die Armlehne eines Sofas, auf dem vom Suezkanal die Rede war. Ich wußte weder, wo das lag, noch, was das Wort »Verstaatlichung« hieß, es war mir auch wurstegal. Warum führten sie ständig so beschissene Gespräche?! Hatten sie kein anderes Thema als was sich in der Welt tat, nichts anderes als ihre Bücher, ihre Malerei, ihr Theater und ihren Tanz?! Und was sich in ihnen selbst abspielte, interessierte sie nicht, ihre Gefühle, ihre Wünsche, ihr Verhältnis zu ihren Mitmenschen, ich meine, was tief in ihrem Herzen war? Pah, da konnte man sich fragen, ob mein Sandwich nicht mehr Mark in den Knochen hatte … Es sei denn, ich war derjenige, der aus der Spur geriet.
    Dann tanzte ich wieder, aber diesmal mit Ramona, was erholsamer war und mir gestattete, gewisse Personen im Auge zu behalten. Die Mädchen des Sinn-Fein-Ballett einschließlich meiner Mutter waren fast alle nach dem gleichen Muster gebaut: kein Hintern, lange Beine, ein flacher Bauch und kleine Brüste. Ramona hatte, was den anderen fehlte. Sie klagte oft darüber, aber mir gefiel sie sehr gut so, die zwei, drei Kilo, die sie zuviel hatte, waren sinnvoll verteilt. Trotzdem hatte sie nicht viel dafür übrig, mit den Hüften zu wackeln, und freute sich mehr an den Tänzen aus der guten, alten Zeit. Ich konnte mich noch so oft bemühen, sie einzuweihen und ihr die simpelsten Figuren beizubringen – dank Alex waren wir die Pioniere des Rock ’n’ Roll diesseits des Atlantiks –, bei ihr lief ich nicht Gefahr, mir ein Bein zu brechen, ich mußte eher befürchten einzuschlafen.
    Kurz bevor ich ins Krankenhaus gekommen war, hatten wir ihren zweiunddreißigsten Geburtstag gefeiert. Mir war nicht bekannt, daß sie einen Freund hatte, aber ich war, ohne es mir erklären zu können, davon überzeugt, daß sie in dem Punkt alles wußte. Für mich bestand da kein Zweifel, so weich waren ihre Bewegungen, so feminin ihr Verhalten. Verglichen mit dem fast knabenhaften Gebaren, in dem sich die anderen so sehr gefielen, wirkte sie beinahe gekünstelt. Also fragte ich sie, ob es sein könne, daß ein Mädchen von einem Tag auf den andern anfange zu ficken.
    »Du brauchst dich nicht so derb auszudrücken …« antwortete sie mir. »Im übrigen verstehe ich deine Frage nicht so recht …«
    »Ach, was weiß ich!« sagte ich gereizt. »Kann das über einen kommen, so als müßte man pissen?!«
    Ich schlug die Augen nieder, weil ich noch nicht das Alter erreicht hatte, in dem man unschlagbar ist. Dem Schweigen, das folgte, glaubte ich entnehmen zu können, daß sie mich einfach hatte stehenlassen, mich und mein Vokabular. Aber ihre Finger glitten unter mein Kinn und hoben meinen Kopf.
    »Na, mein Schatz, so würde ich die Dinge nicht nennen«, meinte sie lächelnd. »Sprichst du von Edith?«
    »Nein, nicht

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