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Pas de deux

Pas de deux

Titel: Pas de deux Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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es einem seine Brust zum Betatschen geben würde. Man mußte sie zum Teufel schicken und beten, daß sie nicht alles vermasselte. Warum ging sie nicht schlafen? Nachher stritten wir uns oft darüber. Sie sagte, wir seien kindisch und sie verstehe gar nicht, warum wir keine kurzen Hosen mehr trügen, denn das würde diese dummen Puten nur noch mehr amüsieren, und warum lutschten wir nicht gleich am Daumen, hätten wir eigentlich gar keinen Stolz? Oli und ich, noch ganz lippenstiftverschmiert, glucksten. Der Geifer der Kröte erreicht das Antlitz des Menschen nicht.
    Ich hatte Edith stets hübsch gefunden, aber die dunkle, barbusige, mit ordinären Strapsen bekleidete Besucherin, die mich in meinen Träumen heimsuchte, war sie nicht. Daher fand ich es normal, daß man sie, zumindest als Frau, ignorierte, wenn sie zwischen diesen teuflischen Geschöpfen unterging, die nichts als Fleisch, Kurven und Versuchung waren. Die paar Berührungen, zu denen wir uns in unserer Kindheit hatten hinreißen lassen, hatten meine Neugier befriedigt, ohne jedoch meine Begierde zu erwecken. Warum sollten sich andere für sie interessieren? Nach dem neuesten Stand war ihr BH so hohl wie die Hand des Bettlers.
    Man mußte schon halb scheel sein, so um sie herumzuscharwenzeln. Und tatsächlich, der fragliche Typ trug eine Brille, und er war behaart wie ein Affe, was mir arg in Richtung vollkommener Schwachsinn zu gehen schien. Wie dem auch sei, er war bestimmt doppelt so alt wie ich, aber das hinderte ihn nicht daran, ihr schöne Augen zu machen, als hätte er es mit seiner Flamme zu tun, und das in einem Maße, daß mir die Luft wegblieb.
    Oli kam und riß mich aus diesem ungeheuren Schauspiel. Er zerrte mich resolut zur Seite und forderte mich auf, ein Glas Cinzano bianco mit ihm zu teilen, das er stibitzt hatte. Ich sagte ihm, was ich gesehen hätte, aber er zuckte nur mit den Schultern und verkniff sich jeden Kommentar.
    »He …« hakte ich nach. »Findest du das nicht ekelhaft?!«
    »Was?«
    »Na, was ich dir erzählt hab! Der Typ, der um Edith rumschleimt!«
    »Weiß nicht. Was hat er ihr getan?«
    Ich erkannte rasch, daß Oli nicht der geeignete Gesprächspartner war, dieses Problem zu erörtern. Er war noch zu grün, zu unbeleckt, um mit gewissen Ideen umzugehen, deren Feinheit ihn in einen elenden Abgrund der Ratlosigkeit stürzte, in dem ich ihn lieber beließ. Es würde nichts dabei herauskommen. Ich reichte ihm sein – leeres – Glas Cinzano zurück, bedachte ihn mit einem Blick voller Bitterkeit und ließ ihn weiter mit seinen Sandförmchen spielen.
    Ohne Edith aus den Augen zu lassen, stürzte ich mich wieder ins Getümmel. In der Mitte des Raums flogen die Kleider der Mädchen auf, und die Gesichter waren schweißgebadet, denn die Tänzer des Balletts waren mit Leib und Seele dabei, eine akrobatische Figur nach der anderen vorzuführen, was bei einem Teil der Gesellschaft Bravorufe und ein begeistertes Pfeifen auslöste. Die anderen quatschten, tranken und scherzten miteinander, im Stehen oder einfach auf dem Boden, sie rauchten und schauten sich mit inspirierter Miene tief in die Augen, während die Kühneren sich auf die Zimmer verteilten. Einige hoben ihre Gläser auf den Tod von Pollock oder Brecht. Andere gerieten sich wegen Algerien in die Haare. Wieder andere waren mit Béjart, Babilée und der Ankunft des American Ballet Theater beschäftigt. Aber ich spürte, über allem stand das Verlangen, zu gefallen und sich in den Vordergrund zu schieben. Und ich hatte das Gefühl, mit dieser Erkenntnis ein großes Geheimnis entdeckt zu haben. Ein allerdings vollkommen unnützes Geheimnis, sagte ich mir. Ich begriff nicht so recht, was mir all diese Dinge brachten, die ich über das menschliche Wesen lernte.
    Was mir hingegen absolut einsichtig war, mich riesig fuchste und mir den Abend zu verderben drohte, das war die Wendung, die Ediths Kontakt zu dieser Blindschleiche nahm. Ich mußte sicher noch viel lernen, aber soviel wußte ich doch, daß ich mich über die Absichten dieses Kerls nicht täuschte. Die Worte tropften ihm nur so aus dem Mund. Ich fragte mich, was er ihr, vor allem seit einer Stunde schon, derart Interessantes erzählen mochte, zumal Edith schnell die Geduld verlor, wenn man ihr die Ohren vollbrabbelte. Ich tanzte ein wenig, um auf andere Gedanken zu kommen. Ramona warnte mich im Vorbeigehen, ich solle vorsichtig sein und nicht vergessen, daß ich gerade aus dem Krankenhaus käme, aber es lief alles

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