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Pas de deux

Pas de deux

Titel: Pas de deux Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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alle mit geschlossenen Augen wiedererkannt – unter die Haut kroch und mich betäubte.
    Edith und Oli wurden hinter mir ungeduldig. Ich muß zugeben, daß ich ihnen von den zwölf Zimmern, die die beiden Stockwerke aufwiesen, keines ersparte.
    »Ah, was treibst du denn da?!« fragte Oli erbost, den es nicht auf seinem Platz hielt und dessen Ohren schon ganz spitz waren.
    Edith sagte nichts. Sie verstand ganz gut, was ich da fabrizierte, während ich mir darüber nur halb im klaren war.
    Sieben Mitglieder der Truppe wohnten ständig bei uns, seit Georges Anfang der fünfziger Jahre das Sinn-Fein-Ballett gegründet hatte. Die anderen wohnten in der Stadt und versuchten sich durchzuschlagen, wenn es keine Arbeit gab, aber diese sieben waren der harte Kern, nichts passierte ohne sie, sie waren da, auf Gedeih und Verderb, wie sie sagten. Kurz und gut, all das nur, um zu erklären, daß ich auf meiner Wallfahrt allerhand zu tun hatte und daß uns die Minute, die ich auf jeder Türschwelle verweilte, eine Menge Zeit kostete.
    Unten angekommen, begegnete ich Spaak, der mich auf seinen Arm hob und mich wie eine Reliquie zur Schau stellte, während Edith und Oli zum Buffet flitzten. Als ich den Versuch machte, ihm zu entkommen, hielt er mich noch einen Moment fest, um mir zu meiner Kraft zu gratulieren.
    »Schaut euch das an!« rief er in die Runde. »Belohnt uns das Leben nicht für all unsere Anstrengungen?!«
    Er lächelte mich an, aber ich war grün vor Wut. Für den Fall, daß er es noch nicht bemerkt haben sollte: ich war fast dreizehn, und ich hatte auf seinen Armen nichts zu suchen, höchstens, wenn er mich der Lächerlichkeit preisgeben wollte. Dummerweise schüchterte er mich ein. Jedem andern wäre ich unter vergleichbaren Umständen aus den Klauen entwischt, aber ihn, ihn fand ich doch ziemlich angsteinflößend, vielleicht verfügte er sogar über Fähigkeiten, die ich nicht einmal ahnte. Ich zögerte, ihm meinen Ellbogen in den Magen zu rammen, ich wollte mir unnötige Scherereien ersparen. Doch als er mich losließ, bückte ich mich rasch, um seiner Hand auszuweichen – diese Angewohnheit, einem über den Kopf zu rubbeln! – und rannte zu den andern.
    In einem waren sich Oli und ich schnell einig: Bei einem Fest dieser Art mangelte es zwar an einem grandiosen Buffet, nicht aber an hübschen Mädchen. Und es war so viel Volk da, daß es uns nicht schwerfiel, an sie heranzutreten und sie seelenruhig aus dem Augenwinkel zu beobachten, während wir unsere Sandwichs verzehrten – später sollte ich, dank Alice, Whitmans berühmten Vers »All the men ever born are also my brothers … and the women my sisters and lovers« entdecken und darin auf die gleichen Empfindungen stoßen, die mich damals beseelten, als ich all diese Leute wunderbar fand und glaubte, alles sei ganz einfach …
    Natürlich konnten wir diese Mädchen nicht haben. Aber meistens waren sie so nett zu uns, daß wir daran glaubten, und manchmal fanden sie uns sogar so schnuckelig, daß sie sich uns gegenüber Vertraulichkeiten erlaubten, bei deren Genuß wir fast unsere Seelen aushauchten. Ah, wenn sie, vom Wein benommen und vom stundenlangen Tanzen ausgelaugt, zuließen, daß wir uns zwischen sie schoben, und wenn sie dann zerstreut mit unseren Haaren spielten und uns hätschelten, während wir an ihnen schnupperten und uns wie Aale zwischen ihre Brüste schlängelten oder infolge eines unmerklichen Schlenkers plötzlich mit der Nase dicht vor ihrem Schritt hingen!
    Wir waren Georges’ und Elisabeths Kinder, die kleinen Lieblinge des Sinn-Fein-Balletts, von nichts anderem rührte die Aufmerksamkeit, die man uns widmete. Aber dessen waren wir uns nicht bewußt, und die Welt der Erwachsenen erschien uns – wenn auch nur bei solchen Gelegenheiten – in sexueller Hinsicht ganz und gar angenehm, um nicht zu sagen großartig.
    An diesem Abend fiel mir auf, daß Edith die Typen nicht kaltließ. Ich war so verdutzt, daß ich eine Weile nicht mehr darauf achtete, was sich um mich herum tat, und sie unauffällig beobachtete, um mich zu vergewissern, daß ich keine Knöpfe vor den Augen hatte. Man muß sagen, daß sich Edith bislang eher als Nervensäge betätigt hatte, wenn wir anfingen, uns zu amüsieren. Sie behauptete, sie langweile sich, und zog einen am Ärmel, wenn man sich gerade von einem Starlett, dessen falsche Wimpern einen ganz närrisch machten, bemuttern ließ und der Augenblick näher rückte – aber stets wich der Berg zurück –, da

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