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Pas de deux

Pas de deux

Titel: Pas de deux Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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Gesicht und trat zurück. Und da erblickte ich Hélène Folley. Sie saß auf meinem Rasen und flickte meinen Reifen. Ich dachte, ich hätte Halluzinationen.
    »Verflixt! Was machst du denn da?« raunte ich durch das offene Fenster.
    »Was sagst du dazu? Ich bin so gut wie fertig! Willst du sehen, was das war?«
    Ich war baff. Hinter mir mühte sich M.-C. mit Leib und Seele. Da ich reg- und wortlos stehenblieb, kam sie näher und reichte mir, was sie aus dem Schlauch entfernt hatte.
    »Ich weiß, du hast mich nicht darum gebeten … Aber es hat mir Spaß gemacht.«
    Ihr Lächeln entwaffnete mich.
    »Entschuldige. Ich habe zu tun«, brummte ich.
    Ich drückte das Fenster zu. M.-C. hatte aufgehört zu spielen, er hatte seine Hände zwischen die Beine geklemmt und stierte mit offenem Mund vor sich hin.
    »Und? Bist du stolz auf dich? Hast du dir mal zugehört?!«
    Ich setzte mich zu ihm und spielte ihm das Stück vor. Ich versuchte ihm zu erklären, was wichtig sei. Ich legte meine Hände auf seine, und wir spielten das Stück gemeinsam noch einmal.
    »Jetzt du. Aber hör um Himmels willen hin, was du spielst!«
    Im gleichen Augenblick sah ich Hélène durch meinen Garten radeln. Ich schloß die Augen. Ich kniff mir in die Nasenwurzel.
    »Na los … Worauf wartest du?!« murmelte ich.
    Beim fünften Takt schlug ich die Augen wieder auf. Sie fuhr erneut vorbei, winkte mir zu. M.-C. spielte schwungvoll weiter, scherte rechts und links aus wie ein betrunkener Holzhacker.
    Ich beugte mich vor, ich packte die Partitur und schleuderte sie quer durchs Zimmer.
    »Armer Wicht!« knurrte ich. »Los, raus hier, hau ab, ich kann dich nicht mehr sehn!«
    Er packte sogleich seine Sachen. Ich wies ihm die Tür. Dann trat ich wieder ans Fenster.
    »Wie, du bist immer noch da?!« rief ich Hélène zu, die gerade am Ende der Allee wartete und an diesem Hin und Her immer mehr Gefallen zu finden schien.
    Sie hielt mit verklärtem Gesicht vor mir an.
    »Ich wollte dich nicht stören …«
    »Naja, das ist dir mißlungen. Hör mal, ich will nicht unfreundlich sein, aber ich habe wirklich zu tun …«
    »Ich wollte mir bloß die Hände waschen«, fügte sie hinzu und drehte mir ihre Handinnenflächen zu. »Aber wenn das nicht geht …«
    Schließlich machte ich ihr auf. Aber ihre Neugier befriedigte ich nicht, ich ließ sie nicht nach rechts und links herumschnüffeln, sondern führte sie geradewegs ins Bad. Sie schaffte es dennoch, einen Blick auf ein Gemälde an der Wohnzimmerwand zu erhaschen.
    »Weißt du, daß Bram van Velde Beckett zu Warten auf Godot inspiriert hat?«
    Ich antwortete ihr, ich wüßte es, aber das hinderte sie nicht daran, mir die ganze Geschichte zu erzählen, während sie sich jeden Finger einzeln abrubbelte. Und ich blieb im Türrahmen stehen, um sie zu überwachen, ich hatte Angst, sie würde mir entwischen und durch sämtliche Räume rennen. Sie fühlte sich sichtlich wie zu Hause, sie ließ sich Zeit und machte einen Scherz nach dem andern, während sie ihren Blick umherschweifen ließ. Ich verstand nicht, was sie da trieb, und ich ärgerte mich, daß ich ein Fremder in meinem eigenen Badezimmer war – zumindest empfand ich es so.
    Sie trug einen ihrer Jerseyröcke, und durch ihre letzte Körperertüchtigung war er gut einige Zentimeter hochgerutscht, und sie hatte nicht daran gedacht, ihn wieder herunterzuziehen. Darüber ein kurzes, V-förmiges Oberteil mit hochgekrempelten Ärmeln, das sie halb aufgeknöpft hatte, so daß man eine kleine, bunte Verzierung aus Stoff erkennen konnte – eine Rose? eine Eglantine? –, die in dem Weiß ihres Büstenhalters eingenäht war.
    Ich konnte mir nichts anderes anschauen als sie, ich kannte die Räumlichkeiten auswendig. Ich sagte kein Wort, und das war sicher ein Fehler, vielleicht hätte ich mich aus dieser Situation herausgerissen, wenn ich mit ihr über Lithographie oder die ›Unmöglichkeit zu malen‹ geredet hätte. Sie hielt mir einen unverständlichen, reichlich verworrenen Vortrag. Nach einer Weile dann, glaube ich, waren ihre Hände so sauber, wie man nur wünschen kann. Sie trocknete sie behutsam ab und starrte mich zufrieden an. In diesem Augenblick hätte ich mich rühren und in entgegengesetzter Richtung davongehen sollen, aber ich blieb reglos stehen, ich lehnte an der Türzarge, und meine beiden Füße waren wie am Boden verwurzelt.
    Daraufhin neigte sie sich zum Spiegel und betrachtete sich. Sie erzählte mir, der Garten erinnere sie an das Haus ihres

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