als meine Hand. Genau wie vorher. Ich gehe aus dem Internet und wieder rein. Facebook. Nichts hat sich verändert. Wieder Marios Seite. Ich logge mich aus und versuche, mich als Mario wieder einzuloggen. Seine Mailadresse.
[email protected]. Dann das Passwort. Mausedreck . Eine Meldung: Passwort und Benutzername stimmen nicht überein.
Das gibt es doch nicht!
Ich versuche es noch einmal.
Dieselbe Meldung erscheint.
Auch der dritte Versuch geht schief.
Und »Mario« ist offline, bleibt offline.
Ich verstehe das alles nicht.
Mit zitternden Fingern logge ich mich wieder als ich selbst ein. Alles geht glatt, alles normal.
Werde ich langsam verrückt? Oder spielt mir jemand einen dummen Streich? Jemand, der weiß, dass Mario gar nicht wirklich existiert. Aber außer mir kennt doch keiner die Wahrheit. Selbst meine Eltern glauben mir, denken allerdings, dass ich Mario bei Annabelle kennengelernt habe, dass er ihr Cousin ist …
Ich kann nicht mehr. Das ist mir alles zu viel. Einfach nur verschwinden. Irgendwohin. Ich wünsche mir meine private Insel. Oder den Zirkus, von dem ich und Clara früher geträumt haben. Sie wollte Trapezartistin werden oder vielleicht Kunstreiterin, wenn sie keine Angst vor Pferden hätte.
Carnivàle . Eine von Claras Lieblingssendungen. Ich habe ihre DVDs noch immer. Weil wir nicht mehr miteinander geredet haben. Weil sie fort ist. Ich nehme mein Laptop mit ins Bett, stecke Kopfhörer an und werfe die erste DVD ein.
»… and so it was until the day that a false sun exploded over trinity and man forever traded away wonder for reason …«
Der Junge sieht mich an, ich sehe mich selbst in seinen Augen.
»Wer bist du?«, frage ich.
»Weißt du das nicht?« Seine Stimme klingt wie der Wind, wispert, flüstert. Und dann lacht er. Reißt den Mund auf und lacht. Mir wird kalt. Ich renne, renne davon, durch dunkle, einsame Gassen. Schritte hinter mir. Ich schwitze.
Ich mache die Augen auf. Keine Gassen mehr, kein Junge. Ich habe nur geträumt. Das DVD-Menü flimmert auf dem Laptop. Leise Musik aus den Kopfhörern, die mir aus den Ohren gefallen sind.
Ein Klopfen an meiner Tür.
Ich kann gerade noch den Laptop zuklappen, bevor die Tür aufgeht. Meine Mutter streckt den Kopf herein.
»Guten Morgen, Langschläferin«, trällert sie mit ihrer extra-fröhlichen-Stimme, die mich besonders morgens nervt. »Schau mal, wer da ist!«
Marens Kopf taucht hinter ihr auf, perfekter Haarschnitt, Magazin-Lächeln.
»Hallo, Kleine.«
Ich brumme irgendwas.
Mein Kopf tut höllisch weh.
»Oh, oh, mal wieder Morgenmuffel angesagt.« Meine Mutter kichert.
Ich würde ihr am liebsten mein Kissen an den Kopf werfen. Aber dafür habe ich zu wenig Energie, würde außerdem zu nichts führen.
»In zehn Minuten gibt's Brunch«, erklärt sie und verschwindet dann zum Glück wieder.
»Schläft die immer mit Laptop im Bett?«, höre ich meine Schwester noch im Gang sagen.
Dann ziehe ich mir das Kissen über den Kopf. Essen. Ich habe überhaupt keinen Appetit.
Trotzdem schaffe ich es, fast pünktlich ins Esszimmer zu schlurfen, allerdings ungeduscht.
Maren lächelt mich an. »Alles klar?«
Ich nicke.
Mein Vater lächelt mir zu und raschelt weiter mit der Zeitung.
»Könntest du auch mal helfen?«, fragt meine Mutter, die mit einem Teller aufgebackener Croissants hereinstürmt.
Er sieht mich an und verdreht ein klein wenig die Augen. Dann steht er brav auf und trabt in die Küche.
»Und ich?«, frage ich.
»Du setzt dich erst mal«, bestimmt meine Mutter. »Was war das denn für eine Party gestern? Ich hab dich gar nicht nach Hause kommen hören …«
Maren grinst und setzt sich neben mich. »Mit der Clique?«
Ich nicke wieder.
»Wirklich gut, dass du Mario hast, sonst wäre es doch schrecklich, dass Julia und David jetzt zusammen sind.« Sie sieht mich mitleidig an.
Eigentlich müsste ich mich freuen, weil Maren so nett zu mir ist, weil es, seit ich zu Julias Clique gehöre, viel entspannter zwischen uns ist. Meine Eltern waren darüber total glücklich. Wir haben uns nämlich noch nie gut verstanden. Einer meiner ersten Sätze soll gewesen sein: »Maen blöd, Maen weg!« Ich denke, das liegt daran, weil sie mich mit ihren Puppen verwechselt hat. Später konnten wir dann auch nie viel miteinander anfangen, weil Maren am liebsten mit Barbies gespielt oder Rätselbücher für Kinder gelöst hat. Meine Freundschaft mit Clara hat unser Verhältnis noch verschlimmert, weil Clara es total