Passwort in dein Leben
schmeckt er mir nicht, ist viel zu bitter. Ich habe das Gefühl, dass sich mein Magen richtig zusammenzieht.
»Gut, dass du jetzt andere Freunde hast«, meintmeine Mutter. »Welche, die aus ähnlicheren Familien kommen …«
Und zum ersten Mal kommt mir ein Verdacht. Dass meine Eltern das Geld, das Claras Eltern für mich beisteuern wollten, nicht nur aus Stolz abgelehnt haben, sondern auch, weil sie mich von Clara fernhalten wollten.
»Ja, seit sie mit Julia befreundet ist, hat sie sich wirklich verändert. Hast du gewusst, dass sie sogar bei der Wahl zur Schulsprecherin aufgestellt wurde?« Meine Mutter klingt stolz.
Sie weiß nicht, wie wenig Stimmen ich letztlich erhalten habe. Dass mir das wirklich was ausgemacht hat. Damit ich nicht heule, habe ich ständig im Kopf wiederholt, was Clara gesagt hat, als sie sich in der fünften Klasse bei der Klassensprecherwahl hat aufstellen lassen und nur vier Stimmen erhalten hat. »Das ist wie bei den Bestsellern. Schrott kommt schnell nach oben.«
»Mensch, was ihr immer für seltsame ›Projekte‹ gemacht habt«, Maren kichert. »Und dass du dir eingebildet hast, du könntest Künstlerin werden, dabei wollen das so viele und fast keiner schafft es, damit ordentlich zu verdienen.«
»Nicht, dass du nicht ganz nett malen kannst«, meint meine Mutter. »Aber heutzutage muss man auf Sicherheit bauen, sonst geht man unter. Gerade jetzt, wo die ganzen Gelder gekürzt werden.«
Ich schlucke, sehe sie nicht an. Meine Hand zittert. Es klirrt, als ich die Tasse abstelle.
Die Bilder. Unsere gemeinsamen Installationen. Performances, die ich mir ausgedacht habe und die Clara umgesetzt hat. Sie haben nie gewusst, dass meine Ideen dahinterstecken. Einmal habe ich sie murmeln hören, dass Clara ja wohl richtig »einen an der Waffel« hat und sich »nur ein krankes Gehirn so was ausdenken könnte«. Da war mir klar, dass sie es nie erfahren dürfen.
»Hast du irgendwelche neuen Pläne?«
»Hm«, mache ich und starre die Croissants und Brötchen an. Plötzlich ist mir total schlecht.
»Ich äh …«, murmle ich und springe auf. Mein Stuhl kracht nach hinten um, bleibt an der Wand hängen. »Muss mal aufs Klo.«
»Aber …«, höre ich meine Mutter noch sagen.
Im Klo ist es viel kühler. Ich beuge mich über die Schüssel. Obwohl mir von dem von dort aufsteigenden Geruch noch viel übler wird, kann ich mich nicht übergeben. Mir ist schwindlig. Ich klappe den Deckel zu, lehne meinen Kopf gegen die Fliesen. Clara hat mir mal ein Bild von einem knallbunten Bauwagen gezeigt. Dort würde sie gerne leben, hat siebehauptet. Ich fand das cool. Aber als ich meinen Eltern davon erzählt habe, hat meine Mutter nur gesagt, dass das total kalt sei im Winter und ich meinenganzen Kram niemals unterbringen würde. Eigentlich hat Clara es sich gleich von Anfang an mit meiner Familie verscherzt. Gleich an diesem ersten Tag, als sie herzog und in meine Kindergartengruppe kam.
Ich entdecke Clara gleich, als ich in den Gruppenraum komme. Meine Mutter ist schon fort. Seit sie wieder halbtags arbeitet, verabschiedet sie sich gleich an der Tür. Sie meint, ich sei schon groß genug.
Das neue Mädchen steht am Fenster und schaut hinaus, das blonde Haar zu zwei Pippi-Langstrumpf-Zöpfen geflochten, bunt geringelte Strumpfhosen und ein getupftes Kleid. Ich wäre gerne ihre Freundin.
»Warum siehst du mich nicht an, Sofie?«, fragt Frau Walz, unsere Erzieherin, als ich ihr zur Begrüßung die Hand gebe.
»Guten Morgen«, murmle ich.
Sie lacht. »Hast du das neue Mädchen entdeckt?«
Ich kann nur nicken.
»Vielleicht kannst du ihr ja alles zeigen?«
Wieder nicke ich und merke, dass irgendwas in mir zu glucksen beginnt.
Der Weg zum Fenster kommt mir unendlich weit vor.
»Hallo«, sage ich leise.
Sie starrt weiter aus dem Fenster.
»Soll ich dir alles zeigen?«
Wieder keine Reaktion.
»Du hast ein schönes Kleid.«
Jetzt dreht sie sich um. »So ein blöder und hässlicher Kindergarten!«
Ich schaue in ihre braunen Augen und verstehe überhaupt nichts mehr. Hässlich? Unser Kindergarten?
»In meinem Kinderladen sind Riesentücher zum Höhlenbauen«, erklärt sie, »und die Wände sind bunt!«
Da sehe ich, was sie sieht. Weiße Wände, Spielecken, die in jeder Gruppe völlig gleich aussehen.
»Und die Bilder hier, bäh!«, sagt sie
Ich finde das ziemlich gemein. Schließlich habe ich mich total angestrengt.
»Alle gleich …«
Sie hat recht. Wir haben Schneeglöckchen gemalt. Alle haben
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