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Passwort in dein Leben

Passwort in dein Leben

Titel: Passwort in dein Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Stehle
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in Ecken hängen würden wie manche seiner Klassenkameraden. Sie werden dann nur laut und seine Mutter kichert, als sei sie noch ein Mädchen. Das ist dann genauso lächerlich wie ihre Antifaltencreme, ihre Pilates-Sucht und die Klamotten von angesagten Teenie-Labels, in die sie ihren Po quetscht. Man sieht abends, wenn das Make-up um die Augenwinkel zu bröckeln anfängt, sowieso, dass sie über vierzig ist. Oder sein Vater, der jungen Mädchen auf den Busen starrt und glaubt, sie würden was anderes in ihm sehen als einen alten Sack, der tausend Kilometer für ein Open-Air-Festival fährt und dann natürlich in einem Hotel übernachtet, weil ihm der Zeltplatz zu schmutzig ist und außerdem zu voll. Trotzdem – ein Schluck Alkohol macht ihn nicht zu seinen Eltern. Er wird irgendwas ganz Wertvolles wählen, es in ein Glas gießen und sich selbst zuprosten.
    Weil er sich nicht auskennt, hat er den Rum genommen, der ganz oben im Schrank steht. Allein auf einem Regal. Er bedeckt gerade mal den Boden seines Glases, goldbraun, dünnflüssig. Dazu hat er sich einen schottischen Butterkeks geholt. Irgendwie passt das zusammen. Niemand begegnet ihm auf dem Flur. Er ist allein mit seinem Schlafrhythmus. Die Uhrzeit, nach der sie hier leben, ist ihm egal. Die virtuelle Welt, die längst zu seiner wahren Heimat geworden ist, kennt solche Unterscheidungen nicht. Sie ist immer aktiv, immer da.
    Der Bildschirm ist schwarz geworden. Er streicht kurz über die Maus, betrachtet noch einmal seine Arbeit. Wieder merkt er, dass er lächelt. Er setzt sich hin, hebt das Glas, führt es zum Mund. Der Geruch sticht ihn in der Nase. Auf mich, denkt er. Auf mein Werk. Auf meinen Sieg. Und doch trinkt er nicht. Etwas fehlt. Sie fehlt. Auch wenn sie es nicht weiß, so ist sie doch seine Muse. Er liebt sie, seit dem ersten Mal, als er sie gesehen hat. Ihr Gesicht sieht er vor dem Einschlafen und beim Aufwachen. Leidenschaft. Außer ihm scheint niemand zu wissen, was das ist. Und wie nahe die Liebe dochbeim Hass liegt. Mit der gleichen Leidenschaft, wie er sie liebt, hasst er sie auch. Und das ist allein ihre Schuld.
    Er geht zum Schrank, ein Griff und er hat die Bilder in der Hand. Die Bilder, die er unter seiner Unterwäsche verborgen hat. Sie. Unzählige Fotos. Zu allen Jahreszeiten, verschiedene Haarschnitte, verschiedene Gesichtsausdrücke.
    Eines liebt er am meisten. Es kommt aus der Zeit, als sie noch unschuldig war, bevor dieses Ekel seine Fingerabdrücke auf ihr hinterlassen hat. Und wer weiß, was noch alles. Er merkt, wie Spucke ihm aus dem Mundwinkel läuft, und wischt sie schnell ab. Sie hat sich einfach so von ihm beschmutzen lassen. Dafür wird sie bezahlen. Dafür und für all das andere auch. Mit dem Daumen streicht er ihr zärtlich über das Gesicht. Sie wird schon noch erkennen. Aber es ist zu spät. Er glaubt nicht, dass er ihr jemals verzeihen kann. Sie hat alles zerstört.
    Er nimmt das Glas, sieht ihr in die Augen und trinkt. Mit einem Schluck schüttet er das Zeug hinunter. Es brennt. Brennt sich seinen Weg durch seine Kehle in den Magen. Bald wird er überall brennen. Vielleicht reinigt ihn das auch nur. Reinigen ist das richtige Wort. Das hier ist keine Rache, es ist ein Aufräumen. Eine längst nötige Reinigung. Und er wird diese durchführen. Sein Finger drückt Enter .

Teil 1
    Pfützen, in denen sich das trübe Licht der Straßenlaternen spiegelt. Lichtblitze. Ich reibe mir die Augen. Meine Wimpern sind nass. Dunkelgraue Wolken auf heller grauem Himmel. Blubbern in meinem Magen. Ich muss aufstoßen. Es riecht eklig. Zum Glück scheint niemand in der Nähe zu sein. Nur in der Ferne grollt der Donner, Äste zappeln im Wind werfen mir Blätter entgegen. Alles schwankt ein wenig.
    Plötzlich muss ich kichern. Wenn Clara mich nun sehen könnte, würde sie mich vielleicht nicht einmal erkennen. Die Frage ist nur, ob ich mich selbst noch erkenne. Ich bin eine andere geworden, weil Clara weg ist. Zumindest rede ich mir das ein. Vielleicht ist es aber auch einfach so passiert. Menschen verändern sich nun mal. Meine Eltern haben sich gefreut, weil sie dachten, ich würde nun endlich »normal« werden. Wenn sich normal so anfühlt, dann ist die Normalität ein Traum, das Gefühl, ständig nur halb wach zu sein, und nicht mehr selbst zu bestimmen, wohin das Leben läuft.
    Aber wenn ich ehrlich bin, würde ich am liebsten möglichst schnell aufwachen und wieder mit Claranachts durch die Straßen streifen. Clara macht

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