Patterson James
verdrehte die Augen, doch sie konnte sich nicht
verweigern. Sie konnte es ebenfalls nicht ertragen, die Tiere in
den Käfigen zurückzulassen. »Lasst sie frei. Die zusätzliche
Verwirrung hilft uns vielleicht.«
Die kleineren Jungs öffneten zuerst die Schimpansenkäfige
und alberten dabei herum, als hätten sie alle Zeit der Welt. Dann
ließ Wendy Frannies Hund Pip sowie die Beagles aus ihren
Käfigen frei.
Max öffnete die Außentür und spähte in den Gang dahinter. Es
war verrückt, und es würde noch verrückter werden. Kaltes
weißes Neonlicht erhellte jede Ecke und jeden Winkel.
Bald war der Gang voll mit Schimpansen, Kaninchen,
Laborratten und Hunden. Vielleicht würde das Chaos tatsächlich
helfen. Man hatte die Stimmbänder der Tiere durchschnitten,
doch ihr raues Atmen und ihr Krächzen waren weithin zu hören,
als sie mit den Nasen am Boden irgendeine geheimnisvolle Spur
verfolgten.
Es war das totale Chaos. Der helle Wahnsinn! Welch ein
Durcheinander!
Ein Durcheinander, das ihnen wahrscheinlich die beste Chance
zur Flucht verschaffte, die sie überhaupt nur haben konnten.
Max hörte schrille, entsetzte Frauenschreie, als die Nager und
Affen die Schwesternstation erreichten. Für einen Moment
unterbrach sie ihre Suche nach Frannie und Kit und führte die
Kinder hastig in einen wartenden Lift. Sie mussten sich eng
zusammendrängen, und Pip schien auf keinen Fall
hineinzuwollen. Er stand bellend und winselnd da und ging
nicht weiter.
»Hör auf damit und reiß dich zusammen!«, herrschte Max das
Tier an, und das Bellen verstummte augenblicklich.
Auf dem Paneel gab es ein halbes Dutzend beleuchteter
Knöpfe.
»Was für ein elender Ort! Ich hasse alles an diesem Hospital!«
Sie drückte auf den Knopf mit der Aufschrift »U«, die Türen
schlossen sich, und der Aufzug glitt nach oben, Gott sei Dank.
»Nach oben ist gut«, sagte der kleine Peter.
»Nach oben ist immer gut«, erwiderte Max.
U steht bestimmt für unbeschreibliches Glück, dachte Max, doch
sie behielt den Gedanken für sich. Im Augenblick war sie mit
anderen Dingen beschäftigt. Frannie und Kit. Die
geheimnisvollen Männer unten im Aufwachraum. Die Flucht
aus diesem Schlangenloch. Zumindest aus dem Tiefgeschoss,
wo Dr. Kane seine verbrecherischen Arbeiten durchführte.
Angst ist nicht die Antwort, rief sie sich ins Gedächtnis. Niemals!
Die Aufzugtüren öffneten sich in einen weiteren langen
Korridor. Boden, Wände und Decke bestanden aus Beton.
Leuchtstoffröhren erhellten den Gang. Am Ende gab es einen
Ausgang, ansonsten nirgendwo Türen. Wie ein Tunnel.
Max wusste nicht, wohin der Gang führte, doch sie waren hier
und mussten hindurch. Das Schicksal hatte sie hergeführt.
Es konnte ein Fluchtweg sein.
»Los!«, rief sie den anderen zu. »Beeilung, Leute! Setzt euren
Hintern in Bewegung!«
Die Kinder und der kleine, japsende Terrier rannten durch den
Korridor in Richtung Ausgang.
Max musste zuerst die Kinder in Sicherheit bringen, bevor sie
nach Frannie und Kit suchen und ihnen erzählen konnte, was sie
gesehen hatte – einen ehemaligen Präsidenten der Vereinigten
Staaten und zwei Dutzend seiner besten Freunde in einem
Aufwachzimmer tief unter dem Liberty General Hospital.
»Bleibt zusammen!«, rief sie den Kindern zu. »Los, los,
Beeilung! Sobald wir draußen sind, wartet ihr auf mein Zeichen,
und dann fliegt ihr los, als wäre der Teufel hinter euch her!
Bringt euch in Sicherheit! Habt ihr verstanden?«
»Ja!«, rief Peter zurück. »Und wohin sollen wir fliegen?«
Sie hörte den Aufzug hinter sich summen. Das Summen
verstummte kurz, dann setzte es wieder ein. Jemand kam in ihre
Richtung. Scheiße! Wer ist das?
»Schneller, schneller!«, rief sie, während sie durch den Tunnel
rannten. »Lauft!«
Max sprang zur Tür. Bitte, lieber Gott, gib, dass sie nicht
verschlossen ist!
Die Tür war unversperrt und öffnete sich in helles Tageslicht.
Es schien eine Ewigkeit her, dass Max die Sonne gesehen hatte!
Einen Tag? Zwei Tage? Zur Rechten befand sich ein graues
Wellblechgebäude – ein Flugzeughangar –, und vor ihnen
erstreckte sich ein Vorfeld, das zur Start- und Landebahn führte.
Und auf dem Vorfeld standen unglaublich viele
Privatflugzeuge!
Max orientierte sich kurz. In dieser Richtung lag Washington,
D.C. Vielleicht konnten sie dort Hilfe finden. Vielleicht,
vielleicht aber auch nicht. Wer waren überhaupt die Guten in
diesem undurchschaubaren Chaos? Und wie konnte sie es
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