Patterson James
Cavello.
»Margarita«, bestellte Andie, ohne die Karte zu öffnen. Cavello nahm einen Absolut auf Eis.
»Also, warum sind Sie wirklich hier?« Andie zwirbelte ihr
Haar. »Hier gibt’s doch überall Schafe, oder? Sie sehen mir
nicht nach einem Bauern aus, Frank.«
»Wegen des Wetters?« Cavello lächelte, bevor er fortfuhr.
»Sagen wir, die Gegend hier kommt mir zugute. Trostlos.
Einsam. Abgeschieden. Das sind die Pluspunkte.«
»Wissen Sie, so langsam kaufe ich Ihnen diese Sache mit dem
Zeugenschutzprogramm ab.« Sie lächelte ihn verschmitzt an.
Der Kellner brachte die Getränke. Andie hob ihre Margarita,
Cavello seinen Wodka.
»Auf das Ende der Welt«, prostete er ihr zu. »Und auf alle
Hoffnungen und Erwartungen, die damit einhergehen.«
Andie blickte ihm ihn die Augen, als sie miteinander anstießen. »Hört sich nach einem Plan an.«
Sie nahm einen Schluck und blickte an ihm vorbei auf den
Platz. Irgendwo da draußen versteckte sich Nick und beobachtete sie. Das gab ihr Kraft. Ja, die brauchte sie jetzt.
»Was für Hoffnungen und Erwartungen haben Sie denn,
Frank?«, fragte sie und blickte ihn wieder über ihre Sonnenbrille
hinweg an.
»Eigentlich dachte ich gerade an Sie.«
»An mich?« Andie stellte nervös ihr Glas ab. »Was wissen Sie
von mir?«
»Ich weiß, dass Leute nicht die ganze Strecke bis hierher
zurücklegen, wenn sie glücklich sind. Ich weiß, Sie sind sehr
attraktiv und scheinbar Neuem gegenüber aufgeschlossen. Ich
weiß, dass Sie hier sind.«
»Sie sind ja echt ein Psychologe.«
»Ich denke, ich mag einfach die Menschen. Mag es, wie ihre
Köpfe funktionieren.«
Als er sich nach ihr erkundigte, erzählte sie ihm die Geschichte, die sie und Nick sich zusammengesponnen hatten. Über ihre
erste Ehe, die zerbrochen war, über ein Restaurant in Boston, in
dem sie als stellvertretende Küchenchefin gearbeitet hatte und
das pleite gegangen war, und dass es Zeit für eine Veränderung
in ihrem Leben war. Für neue Abenteuer. Deswegen war sie hier
gelandet.
Ein paar Mal berührte sie Cavellos Arm, woraufhin er sich
weiter zu ihr beugte. Sie wusste, wie das Spiel lief. Sie betete
nur, dass er sie nicht bereits durchschaut hatte.
Cavello faltete die Hände vor seinem Gesicht. »Wissen Sie,
Alicia, ich gehöre nicht zu den Menschen, die lange um den
heißen Brei herumreden.«
»Nein, Frank.« Sie nahm einen Schluck von ihrer Margarita.
»Nein, Frank?« Er sah sie enttäuscht an.
Andie lächelte. »Nein, Frank, diesen Eindruck hatte ich überhaupt nicht.«
Auch Cavello grinste. Unter dem Tisch streifte sie sein Bein
mit ihrem.
Das war alles so jämmerlich – und widerlich.
»Sie könnten sich meine Ranch anschauen. Sie ist nicht weit
weg. Der Ausblick von dort gehört zu den schönsten.«
»Das wäre nett. Das würde mir gefallen. Und wann, dachten
Sie?«
»Warum nicht heute Nachmittag? Nach dem Essen.«
»Keine schlechte Idee.« Andie zuckte mit den Schultern. »Ich
habe aber eine andere Idee. Mein Hotel ist nur ein paar Blocks
entfernt. Ich bin sicher, ich kann Ihnen einen ebenso hübschen
Ausblick bieten.«
Ich saß im Land Cruiser auf der anderen Seite des Platzes und
beobachtete Andie und Cavello. Als sich die beiden vom Tisch
erhoben und zum Hotel gingen, begann mein Herz zu pochen –
Andie hatte ihr Ziel erreicht.
Cavello nickte jemandem in dem ersten Range Rover zu, was,
wie ich hoffte, heißen sollte: Nehmt euch den Rest des Nachmittags frei.
Hieß es aber nicht.
Die beiden Männer stiegen sofort aus. Einer war gedrungen,
hatte eine Glatze und einen Schnurrbart, der andere war groß,
hatte langes, schwarzes Haar und trug eine Adidas-Jacke. Sie
folgten Andie und Cavello in zwanzig Metern Entfernung. Das
war nicht gut.
Zum ersten Mal, seit Andie und ich diese Sache geplant hatten,
schlug mir die Realität ins Gesicht. Ich wusste, für Andie musste
schon eine einzige Berührung von Cavellos Hand eine Höllenqual sein, die sie kaum aushalten würde. Aber sich am ganzen
Körper von ihm begrabschen zu lassen? Nun hatte ich noch das
Problem mit den Leibwächtern am Hals, die Cavello offenbar
zum Hotel begleiteten.
Ich umfasste den Griff meiner Glock, die geladen in meiner
Jackentasche steckte, und stieg aus meinem Wagen.
Jetzt stellte sich nur noch eine Frage: Sollte ich die Kerle
gleich hier erledigen?
Andie war ganz zappelig, als sie versuchte, den Schlüssel ins
Schloss zu stecken. Cavello ließ sie kaum Luft holen. »Lass
mich das machen«, flüsterte er in
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