Patterson James
verzweifelt sein, wenn Sie hierher kommen.
Aber so sehen Sie nicht aus.«
»Ich habe diese Anzeige gesehen.« Andie zuckte mit den
Schultern. »Dort stand, man käme ans Ende der Welt. Ich
dachte, damit wäre Ushuaia gemeint, aber wenn ich kubanische
Zigarren kaufen und mit einem Amerikaner übers Fernsehen
reden kann, habe ich es vermutlich noch nicht gefunden. Also
fahre ich weiter in den Süden.«
»Ihr Mann muss ein ziemlich vertrauensseliger Mensch sein,
wenn er Sie alleine hierher fahren lässt, Alicia. Oder ist er es,
vor dem Sie fliehen?«
Andie seufzte, als wäre ihr die Situation peinlich. »Eigentlich
habe ich gelogen. Ich bin nicht verheiratet. Ich wollte dem
Verkäufer gegenüber so tun, als wäre ich nicht ganz die Dumme. Die Zigarren sind fürs Schiff.«
»Die kaufen Sie schon so früh?« Cavello blickte sie an. »Das
kleine Mädchen will wohl auf alles vorbereitet sein.«
Scheiße, dachte Andie, mein erster Fehler.
Der Verkäufer reichte ihr das Päckchen und das Wechselgeld.
»Mit den Cohibas haben Sie eine gute Wahl getroffen, Alicia.
Und was das Ende der Welt angeht, könnte ich es Ihnen zeigen.
Es ist gar nicht so weit weg, wie Sie denken.«
»Ach ja? Was meinen Sie damit?«
»Meine Ranch. Die heißt so. Das muss Schicksal sein, Alicia.«
»Ich glaube nicht ans Schicksal«, widersprach Andie mit
einem Lächeln. Sie nahm ihr Päckchen unter den Arm und
huschte an ihm vorbei, während er ihr die Tür aufhielt.
Andies Herz begann zu rasen. Immer mit der Ruhe, ermahnte
sie sich, nur noch ein paar Sekunden. Du hast ihn an der Angel –
also lass ihn nicht wieder los.
Cavello folgte ihr nach draußen. Ein Stück weiter die Straße
entlang bemerkte sie zwei Leibwächter, die ziellos herumliefen,
ohne besonders auf ihren Chef zu achten. Schlampig, genau wie
Nick gesagt hatte.
»Samstags esse ich in der Bar Ideal immer zu Mittag«, sagte
Cavello. »Sie liegt unten am Hafen. Wenn Sie Lust haben,
können Sie mich begleiten.«
»Kommt darauf an«, rief Andie ihm zu, während sie rückwärts
die Straße entlangging. Sie bemerkte das Funkeln in seinen
Augen. Ja, sie hatte ihn an der Angel.
»Auf was?« Cavello folgte ihr ein paar Schritte.
»Darauf, womit Sie es geschafft haben, in dieses Zeugenschutzprogramm zu kommen, Mr. Celletino. Ich gehe nur mit
einer bestimmten Art von Männern aus.«
»Ach so.« Cavello grinste und ging noch einen Schritt auf sie
zu. »Mafiaboss. Passt das in Ihr Raster?«
117
Dann kam der Samstag.
Andie saß bereits im Café, als Cavello eintraf. Die beiden
schwarzen Range Rover fuhren auf den Platz, und die Fahrertür
des ersten wurde geöffnet. Cavello stieg aus, wie immer völlig
von sich eingenommen.
Dies hier war kein Theaterstück, keine Rolle. Das wusste sie.
Dieser Mann würde sie liebend gern umbringen, wenn sie ihm
einen Anlass bot. Aber sie musste diese Sache durchziehen. Sie
musste ruhig bleiben. Sie musste schauspielern.
Cavello sah ihr erfreut und vielleicht auch ein bisschen überrascht entgegen, als er an ihren Tisch trat. Wie beim letzten Mal
trug er den schwarzen Ledermantel, die Sonnenbrille und die
Tweedmütze. »Ich freue mich, Sie zu sehen, Alicia. Dann hat
Sie meine letzte Beschäftigung doch nicht abgeschreckt.«
»Huch, ich dachte, das wären nur Spielchen.« Andie blickte
ihn über ihre Sonnenbrille hinweg an. »Sollte ich etwa Angst
haben?«
Diesmal hatte sie ihre Haare nicht zu Zöpfen geflochten, und
unter ihrer hüftlangen Jeansjacke trug sie ein orangefarbenes TShirt, auf dem in kleinen Buchstaben »Ball Buster« stand.
Cavello las die Aufschrift. »Vielleicht bin ich derjenige, der
Angst haben sollte, Alicia. Darf ich mich setzen?«
»Sicher. Es sei denn, Sie wollen im Stehen essen.«
Er setzte sich und nahm seine Mütze ab. Sein Haar war etwas
grauer geworden, doch sein Gesicht hatte sich seit dem Tag, an
dem Andie ihn voller Hass im Gerichtssaal angesehen hatte, am
Tag der Wiederaufnahme der Verhandlung, kaum verändert.
»Auf mich wirken Sie gar nicht so unheimlich«, meinte Andie.
»Außerdem – wie kann jemand, der Schafe züchtet, so schlecht
sein?«
Cavello lachte. Er konnte richtig charmant sein, wenn er
wollte. »Wissen Sie, das versuche ich dem Justizministerium
schon seit Jahren klarzumachen.«
Andie stimmte in sein Lachen ein.
Ein Kellner kam, der Cavello zu kennen schien.
»Die empanadas sind hier wie Felsbrocken. Aber die Margaritas sind die besten nördlich der Antarktis«, erklärte
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