Patterson, James - Alex Cross 03 - Sonne, Mord und Sterne
»Wie viel wissen Sie?«, fragte er schließlich.
Wir würdigten ihn keiner Antwort. Keiner von uns sagte auch nur eine Silbe. Jetzt waren wir dran, Spielchen zu spielen. Jetzt hatten wir ein paar Überraschungen für Jack parat.
108.
Jack war nur der Anfang. Uns war klar, dass er nur ein Stück des Puzzles war, das wir zusammenzusetzen versuchten. Wir hatten beschlossen, ihn als Erstes festzunehmen. Aber jetzt kam der nächste, der kritische und alles entscheidende Schritt.
Auf der Fahrt zurück zu seinem Haus an der Oxford Street fühlte ich mich vom Geschehen irgendwie entrückt, als würde ich mich selbst in einem Traum beobachten. Ich erinnerte mich an die wenigen Begegnungen mit Thomas Byrnes. Er hatte uns allen gesagt, keine Reue zu empfinden. Aber dieser Rat half in der wirklichen Welt nicht weiter. Der Präsident war tot, und ich würde mich immer mitverantwortlich für seine Ermordung fühlen, auch wenn es überhaupt nicht der Fall war.
Ich dachte nicht nur an den Mord am Präsidenten. Da war noch der dreizehnjährige Danny Boudreaux. Ich spürte eine quälende Verbindung zwischen beiden Fällen. Ich hatte sie von Anfang an gespürt. Derartige Morde und die unerhörte Grausamkeit gab es überall. Es war, als würde sich eine seltsame verkrüppelnde Krankheit fast über die ganze Welt ausbreiten, aber besonders hier in Amerika. Ich hatte schon zu viel davon gesehen. Ich hatte keine Ahnung, wie ich den Albtraum enden lassen könnte. Niemand wusste das.
Es war nicht vorbei. Endlich standen wir am Anfang der Enthüllung eines grauenvollen Geheimnisses.
Hier hatte alles angefangen.
In diesem Haus, das jetzt vor uns erschien.
Jay Grayer sprach ins Handmikro. »Dr. Cross und ich nehmen die Vordertür. Alle geben uns volle Deckung. Keine Schießerei. Nicht einmal zurückschießen, wenn es nicht unbedingt sein muss. Alles klar?«, sagte er.
Sämtliche Agenten kannten den Plan bis ins Detail und wussten genau, worum es ging. Noch war Bärenfalle nicht vorbei.
Grayer parkte die schwarze Limousine neben dem Fußweg zum Haus. »Bereit für einen weiteren Scheißsturm?«, fragte er mich. »Einverstanden, wie alles ablaufen soll, Alex?«
»Voll und ganz. Danke, dass ich dabei sein kann. Ich musste einfach hier sein«, antwortete ich.
»Ohne Sie wären wir überhaupt nicht hier. Los, packen wir’s an.«
Wir stiegen aus dem unauffälligen Wagen und schritten rasch auf dem mit roten Ziegeln gepflasterten Weg zum Haus. Wir passten hervorragend zusammen, Schritt für Schritt.
Hier hatte alles angefangen.
Das große Haus, die gesamte Straße, alles wirkte so harmlos und einladend. Vor uns stand ein wunderschönes weißes Haus im Kolonialstil mit breiter alter Veranda auf Säulenfundamenten. Kinderfahrräder standen auf der Veranda. Alles hier war so sauber und ordentlich. War das Tarnung? Selbstverständlich.
Jay Grayer drückte auf die Klingel. In meinen Ohren hörte es sich wie das Klingeln der Kosmetikberaterin an: »Avon ist da.« Jack und Jill waren zum Capitol Hill gekommen, aber angefangen hatten Jack und Jill genau hier. In diesem Haus!
Die Frau, die öffnete, trug ein rot kariertes Hauskleid, das aussah, als käme es direkt aus dem J.-Crew-Katalog.
Für die Weihnachtsfeiertage hing an der Haustür ein außergewöhnlich dekoratives Gebinde aus Ranken, das der Dornenkrone Jesu ähnelte. Eine große rote Schleife war darangebunden.
Hier steht Jill, dachte ich.
Endlich die echte Jill.
109.
»Alex, Jay. Mein Gott, was ist los? Was ist passiert? Sagen Sie jetzt bloß nicht, dass Sie einen Höflichkeitsbesuch machen.«
Jeanne Sterling stand in ihrem Haus. Ich sah eine lackierte Eichentreppe hinter ihr schimmern. Durch die offene Tür aus ebenfalls schimmernder Eiche sah ich das Speisezimmer. Ein hoher Stapel Weihnachtsgeschenke in Schmuckpapier türmte sich neben einem Schreibtisch und einem einsachtzig hohen Spiegel im Eingangsbereich.
Jills Haus. Die Generalinspekteurin der CIA. Die »saubere Jeanne«.
»Was ist passiert? Ich habe gerade Kaffee gekocht. Bitte, treten Sie doch ein.« Sie klang, als wären Jay Grayer und ich Nachbarn aus derselben Straße. Ein Höflichkeitsbesuch, nicht wahr? Sie lächelte. Wegen ihrer hervorstehenden Zähne sah es wie eine Grimasse aus.
Was ist passiert? Ist jemand aus der Nachbarschaft an einem Blechschaden mit verbeultem Kotflügel beteiligt? Ich habe gerade frischen Kaffee gekocht. Köstlich wie bei Starbucks. Lassen Sie uns gemütlich plaudern.
»Kaffee wäre
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