Patterson, James - Alex Cross 03 - Sonne, Mord und Sterne
blendenden Morgenlicht erfüllt war. Ich hielt den Atem an. Dann machte ich so vorsichtig die Tür auf, als könnte sie explodieren. Ich wusste, dass diese Möglichkeit durchaus bestand. Jetzt konnte alles passieren. Hier war das Haus der schmutzigen Tricks.
Zwischen Haus und Garage war ein dunkler, enger Durchgang, ungefähr einen Meter zwanzig lang. Ich robbte voran.
Schnapp sie dir lebendig. Das ist das einzig Wichtige.
Ich riss die zweite Tür auf und sprang hindurch – in die Garage, wie ich vermutete. Es war die Garage.
Sofort hörte ich drei dröhnende Detonationen. Blitzschnell warf ich mich auf den Betonboden.
Schüsse!
Donner, Furcht einflößender Krach auf engem Raum.
Aber kein Peng gegen meine Brust oder meinen Kopf. Gott sei Dank.
Ich sah Jeanne Sterling. Sie beugte sich aus dem Fenster ihres Caravans. In der Hand hielt sie eine Halbautomatik. Ich sprang auf.
Schnapp sie dir lebendig!, brüllte es in meinem Innern, als ich meine Stellung änderte.
Ich hatte noch etwas im Auto gesehen. Sie hatte ihre jüngste Tochter bei sich. Die dreijährige Karon. Sie benutzte Karon als Schild. Sie wusste, wir würden nicht schießen, solange das Kind im Weg war. Das kleine Mädchen schrie lauthals. Es war in Panik. Wie konnte Jeanne Sterling einem Kind so etwas antun?
Ich presste mich in dem dunklen, engen Raum hinter den Öltank, versuchte, klar zu denken.
Einen Herzschlag lang schloss ich die Augen. Höchstens eine halbe Sekunde.
Ich nahm einen tiefen Zug der kalten Luft und der Benzindämpfe und bemühte mich, nüchtern zu denken. Ich traf eine Entscheidung und hoffte, dass es die richtige war.
Als ich hinter dem Tank hervorsprang, feuerte ich. Ich zielte sorgfältig neben das Kind. Aber ich feuerte.
Sofort warf ich mich wieder hinter den dunklen Tank. Ich wusste, dass ich niemanden getroffen hatte.
Mein Schuss war nur eine Warnung gewesen – die letzte. Andrew Klauk hatte Recht gehabt, als wir uns im Garten der Sterlings unterhalten hatten. Der CIA-»Geist« hatte mir alles gesagt, was ich jetzt wissen musste: Das Spiel wird ohne Regeln gespielt.
»Jeanne, werfen Sie die verdammte Pistole weg!«, rief ich. »Ihre kleine Tochter ist in Gefahr.«
Keine Antwort, nur schreckliche Stille.
Jeanne Sterling würde alles tun, um zu entkommen. Sie hatte den Präsidenten ermordet, hatte diesen Mord befohlen und geholfen, jeden Schritt zu planen. Aber würde Jeanne Sterling auch ihr eigenes Kind opfern? Wofür? Für Geld? Für die Sache , an die sie und ihr Mann glaubten? Welche Sache war das Leben eines Präsidenten wert? Oder das Lebens des eigenen Kindes?
Schnapp sie dir lebend! Selbst wenn sie es verdient, hier in dieser Garage zu sterben. Wie eine Exekution.
Wieder sprang ich vor, gab noch einen Schuss ab. Diesmal durch die Windschutzscheibe – ganz rechts, auf der Fahrerseite. Glassplitter sirrten durch die Garage, spritzten an die Decke und rieselten wieder herunter.
Der Lärm in diesem engen Raum war ohrenbetäubend. Karon schluchzte und kreischte.
Ich konnte Jeanne Sterling durch das Mosaik der geborstenen Scheibe sehen. Eine Hälfte ihres Gesichts war blutüberströmt. Sie blickte verblüfft und geschockt drein. Es ist eine Sache, einen Mord zu planen, aber eine andere, wenn man selbst beschossen wird. Verwundet wird. Einen Treffer abbekommt. Dieses tödliche Peng im eigenen Körper zu spüren.
Mit drei schnellen Sätzen war ich beim Volvo.
Ich riss die Tür auf. Dabei hielt ich den Kopf gesenkt, auf die Brust gepresst. Ich hatte die Zähne so fest zusammengebissen, dass es wehtat.
Ich packte ein Büschel von Jeanne Sterlings blondem Haar. Dann schlug ich zu. Ich landete einen Volltreffer. So einen, wie ihr Mann ihn abbekommen hatte. Die rechte Gesichtshälfte der Frau knackte, als meine Faust sie traf.
Jeanne Sterling sackte über dem Lenkrad zusammen. Sie musste ein Glaskinn haben, wie die Boxer es nennen. Jeanne war ein Killer, aber kein Preisboxer. Schon nach dem ersten kräftigen Bums war sie bewusstlos. Jetzt hatten wir sie. Ich hatte sie festgenommen – lebend.
Endlich hatten wir Jack und Jill.
Ihre kleine Tochter weinte, aber sie war unverletzt. Ich hatte meine Sache gut gemacht. Jack hatten wir bereits, und jetzt hatten wir auch Jill. Vielleicht würden wir jetzt die Wahrheit erfahren. Nein – wir würden die Wahrheit hören!
Ich hob die Kleine aus dem Wagen und drückte sie an mich. Ich wollte all den Schrecken in ihr auslöschen. Ich wollte nicht, dass Karon sich daran
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