Patterson, James - Alex Cross 03 - Sonne, Mord und Sterne
dieselbe Frau, die ich an dem Morgen gesehen hatte, als Shanelle Green ermordet worden war. Die Frau, die mich so sehr angezogen hatte. Sie beobachtete, wie Damon und ich uns auf dem Gehweg balgten. Sie war stehen geblieben, um uns zuzuschauen.
Die Frau war groß – beinahe einsachtzig – und schlank. Im Schatten des Schulgebäudes konnte ich ihr Gesicht nicht genau sehen. Doch ich erinnerte mich an sie. Ich erinnerte mich an ihre Selbstsicherheit und an mein Gefühl, dass eine Art Geheimnis sie umgab.
Sie winkte. Damon und ich winkten zurück. Dann ging die Frau zu dem dunkelblauen Mercedes, der an der Mauer geparkt war.
»Kennst du sie?«, fragte ich Damon.
»Das ist die neue Rektorin unserer Schule«, erwiderte er. »Mrs. Johnson.«
Ich nickte. Mrs. Johnson . »Die arbeitet aber lange. Ich bin beeindruckt. Wie findest du Mrs. Johnson?«, fragte ich Damon, als ich die Frau auf dem Weg zum Auto beobachtete. Ich erinnerte mich, dass Nana sich sehr positiv über die Rektorin geäußert hatte. Sie hatte sie »inspirierend« genannt und fand, dass sie eine sehr nette Art habe.
Mrs. Johnson war in der Tat sehr attraktiv. Als ich sie sah, verspürte ich einen Anflug von Wehmut. Um die Wahrheit zu sagen – ich vermisste schmerzlich eine Frau in meinem Leben. Ich war gerade erst über eine komplizierte Beziehung hinweggekommen, die ich mit Kate McTierman gehabt hatte. Ich hatte mich in die Arbeit gestürzt und die Sache im Herbst halbwegs verdrängt. Ich verdrängte das Problem auch heute Abend.
Damon zögerte nicht, meine Frage zu beantworten. »Ich mag sie. Alle mögen Mrs. Johnson. Aber sie ist zäh. Sie ist noch zäher als du, Daddy.«
Mit dem Mercedes wirkte sie nicht so zäh, aber ich hatte keinen Grund, meinem Sohn nicht zu glauben. Auf alle Fälle war die Frau mutig, wenn sie abends allein in der Schule blieb. Vielleicht etwas zu mutig.
»Komm, gehen wir nach Hause«, sagte ich zu Damon. »Mir ist gerade eingefallen, dass du morgen Schule hast.«
»Können wir nicht noch ein bisschen aufbleiben und uns das Spiel zwischen den Bullets und den Orlando Magics anschauen?«, fragte Damon und ergriff meinen Ellbogen.
»Na klar. Nein, wir wecken Jannie auf und machen die Nacht durch«, sagte ich und lachte laut. Damon fiel ein, und wir lachten beide und hatten Spaß daran.
In dieser Nacht schlief ich bei den Kindern. Ich war noch längst nicht über den Mord an der Truth School hinweg. Manchmal werfen wir Decken und Kissen auf den Boden und schlafen dort, als wären wir obdachlos. Nana regt sich immer furchtbar auf, aber ich glaube, diese Aufregungen halten ihren Kreislauf in Schwung und beleben ihren Geist. Deshalb sorgen wir dafür, dass sie sich mindestens einmal pro Woche aufregt.
Als ich mit offenen Augen dalag, während die Kinder friedlich schliefen, musste ich wieder an Shanelle Green denken. Ausgerechnet. Ich hätte über alles nachdenken sollen, nur nicht über das Mädchen. Warum hat jemand ihre Leiche auf den Schulhof gebracht?, fragte ich mich. Bei vielen Fällen gibt es lose Enden und Fragen, die man schwer beantworten kann. Das war eine solche Frage, und deshalb zerbrach ich mir den Kopf darüber. Dass der Mörder die Leiche des Mädchens auf den Schulhof gebracht hatte, passte nicht in das Puzzle, das jetzt eigentlich zusammengesetzt sein sollte.
Dann dachte ich für einen Moment an Mrs. Johnson. Das war schon besser. Sie ist sogar zäher als du, Daddy. Was für eine glühende Empfehlung meines kleinen Mannes. Es war beinahe eine Herausforderung. Alle mögen Mrs. Johnson, hatte Damon gesagt.
Ich fragte mich, wie sie mit Vornamen hieß. Ich wagte eine wilde Vermutung: Christine . Der Name war mir einfach zugeflogen. Christine . Der Klang gefiel mir.
Schließlich nickte ich ein und schlief mit den Kindern auf dem Fußboden des Schlafzimmers, auf Decken und Kissen. In dieser Nacht besuchten uns keine Ungeheuer. Ich hätte es nicht zugelassen.
Der Drachentöter war wachsam. Müde und schläfrig und übersentimental, aber stets wachsam.
17.
Das war echt irre. Verrückt. Wahnsinnig. Es war fantastisch! Der Mörder wollte wieder zuschlagen – jetzt. In dieser Minute. Er wollte beide . Das wäre riesig. Ein Hammer. Ein echter Knaller.
Er hatte sie von weitem beobachtet – Vater und Sohn . Er dachte an seinen eigenen Vater, diesen total nutzlosen Wichser.
Dann sah er, wie die große Lehrerin winkte und ins Auto stieg. Instinktiv hasste er auch sie. Diese dämliche Niggertussi mit ihrem
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