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Patterson, James - Alex Cross 04 - Wenn Die Mäuse Katzen Jagen

Titel: Patterson, James - Alex Cross 04 - Wenn Die Mäuse Katzen Jagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Patterson
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Falls irgend jemand seinen Beruf hätte erraten sollen, hätte er möglicherweise auf Lehrer getippt.
    Die Ironie dieses Gedankens entging ihm nicht. Er war tatsächlich einmal Lehrer gewesen, einer der schlimmsten, die es je gegeben hatte. Er war Mr. Soneji, der Mathematiklehrer, gewesen. Er hatte zwei seiner Schüler entführt.
    Soneji hatte seine Fahrkarte für den Metroliner schon gekauft, aber er ging noch nicht zum Zug.
    Statt dessen durchquerte er die Haupthalle, entfernte sich vom Wartesaal und stieg eine Treppe neben dem Center Café hinauf zur Galerie im ersten Stock, mit Blick auf die Halle etwa sechs Meter darunter.
    Er schaute nach unten, beobachtete die einsamen Menschen, die durch die Halle mit dem imposanten Gewölbe strömten. Die meisten dieser Arschlöcher hatten keine Ahnung, was sie an diesem besonderen Morgen für ein völlig unverdientes Glück hatten. Sie würden sicher in den kurzen Pendlerzügen sitzen, wenn in wenigen Minuten die son-et-lumière Vorstellung anfing.
    Was für ein schöner Ort! Wie oft hatte er von dieser Szene geträumt, von diesem Schauplatz, der Union Station!
    Durch die Oberlichter fielen die Strahlen der Morgensonne herein. Sie spiegelten sich an den Wänden und der hohen vergoldeten Decke wider. In der Haupthalle unter ihm gab es einen Informationsstand, eine riesige elektronische Anzeigetafel mit den Ankunfts- und Abfahrtszeiten, das Center Café und die Restaurants Sfuzzi und America. Die Halle mündete in einen Wartebereich, der früher der »größte Raum der Welt« genannt worden war. Er hatte sich für heute, für seinen Geburtstag, wirklich eine grandiose historische Kulisse ausgesucht.
    Gary Soneji nahm einen kleinen Schlüssel aus der Tasche. Er warf ihn in die Luft und fing ihn wieder auf. Dann schloß er eine silbergraue Metalltür auf, die in einen Raum auf der Galerie führte.
    Für ihn war das sein Zimmer. Endlich hatte er ein eigenes Zimmer, oben bei allen anderen. Er machte die Tür hinter sich zu.
    »Zum Geburtstag viel Glück, zum Geburtstag viel Glück, zum Geburtstag, lieber Gary, zum Geburtstag viel Glück.«
5.
    Die Sache würde unglaublich werden, alles übertreffen, was er bis jetzt versucht hatte. Den nächsten Teil könnte er fast mit verbundenen Augen erledigen, nur aus dem Gedächtnis. Er hatte es so oft geübt! In seiner Phantasie, in seinen Träumen. Er hatte sich seit über zwanzig Jahren auf diesen Tag gefreut.
    Er stellte in dem kleinen Raum ein zusammenklappbares Aluminiumstativ auf und befestigte ein Browning-Gewehr darauf. Das Gewehr war ein Prachtstück mit einem speziellen Zielfernrohr und einem elektronischen Auslöser, den er selbst montiert hatte.
    Die Marmorböden bebten unablässig, während seine geliebten Züge in den Bahnhof ein- und ausfuhren, riesige mythische Ungeheuer, die hier Futter und Ruhe suchten. Er wäre nirgends auf der Welt lieber als hier gewesen, derart begeistert war er von diesem Augenblick.
    Soneji wußte nicht nur alles über die Union Station, sondern auch alles über Massenmorde, die auf überfüllten öffentlichen Plätzen verübt worden waren. Schon als Junge war er von den sogenannten »Jahrhundertverbrechen« besessen gewesen. Er hatte sich vorgestellt, wie er solche Taten beging und dann gefürchtet und berühmt werden würde. Er plante perfekte Morde und begann schließlich damit, sie auszuführen. Er vergrub sein erstes Opfer auf der Farm eines Verwandten, als er fünfzehn war. Die Leiche war bis zum heutigen Tag nicht gefunden worden.
    Er war Charles Starkweather, er war Bruno Richard Hauptmann, er war Charlie Whitman. Mit dem Unterschied, daß er schlauer war als sie alle und im Gegensatz zu ihnen nicht verrückt.
    Er hatte auch einen Namen für sich geschaffen: Soneji, ausgesprochen So-ni-tschi. Schon mit dreizehn, vierzehn war ihm der Name furchterregend vorgekommen. Und so war es bis heute. Starkweather, Hauptmann, Whitman, Soneji.
    Schon als Junge hatte er in den tiefen, finsteren Wäldern in der Umgebung von Princeton, New Jersey, mit Gewehren geschossen. Im vergangenen Jahr hatte er mehr geschossen, mehr gejagt, mehr trainiert als je zuvor. Er war gerüstet und auf diesen Morgen perfekt vorbereitet. Zum Teufel, er war seit Jahren darauf vorbereitet.
    Soneji setzte sich auf einen Klappstuhl aus Metall und machte es sich so bequem wie möglich. Er spannte eine Plane auf, grau wie ein Schlachtschiff, die mit den dunklen Bahnhofswänden im Hintergrund verschmolz. Er schlüpfte unter die Plane.

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