Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Paul Bremer - 07 - Schrei nach Stille

Paul Bremer - 07 - Schrei nach Stille

Titel: Paul Bremer - 07 - Schrei nach Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
Vom Netzwerk:
er dem grünen Sportwagen aus, der viel zu schnell ins Dorf einfuhr. Und dann drehte er um und fuhr dem Wagen hinterher.

13
    Ein Dorf im Schnee. Die Szene sah aus wie auf einem Bild von einem alten holländischen Meister. DeLange spürte, wie sich die Haare auf seinen Unterarmen aufstellten, als Karen durch das Dorf hindurchfuhr und dann abbog. Auenweg. Hier lebte Sophie Winter. Hier verschwand Alexandra Raabe. Hier lag, vielleicht, die Wahrheit. Vielleicht lag sie hier auch begraben.
    Man sah den Auftrieb schon von weitem: Feuerwehrleute, die ihre Schläuche einrollten. Polizisten bei der Tatortsicherung. Karen parkte das Auto, stieg aus und steuerte auf einen Mann mit Fahrrad zu, einen schmalen, drahtigen, weißhaarigen Kerl, den sie als »Paul Bremer, mein bester Freund« vorstellte.
    »Was ist hier los, Paul?«
    DeLange hörte der Geschichte mit wachsender Spannung zu. Die Nachricht, daß der verschwundene Junge wiederaufgetaucht war, berührte ihn so überraschend heftig, daß ihm die Knie weich wurden. Manchmal geht eben doch etwas gut aus, dachte er und spürte dem Trost nach, den diese ansonsten völlig banale Einsicht bereithielt.
    »Und Sophie Winter ist nicht da?« Karen runzelte die Stirn.
    Hatte die Winter sich abgesetzt? Oder war ihr etwas passiert? DeLange ließ den Blick schweifen und versuchte so viele Details wie möglich zu erfassen. Die Straße. Die Häuser. Die Bäume, die Sophie Winters Haus umstanden. Die Nachbarn. Jeder ein potentiell Verdächtiger. Endlich ruhte sein Blick wieder auf Karen.
    Da stand sie neben ihrem weißhaarigen Freund, leuchtend und mindestens einen Kopf größer, und DeLange fragte sich – na ja. Was man sich als Mann so fragt. Ob es nur Freundschaft war. Oder mehr.
    Paul Bremer schüttelte den Kopf. »Im Haus haben sie sie nicht gefunden. Und: Ihr Auto ist nicht da.«
    Karen sah DeLange fragend an. Er nickte.
    Ein Polizeioberkommissar an der Haustür. Kollege Keil. Wenig erfreut über den Besuch aus der Großstadt. Noch weniger erfreut über den Bericht Paul Bremers.
    »Es gab Vorkommnisse? Wenn Frau Winter sich rechtzeitig an uns gewandt hätte …«
    »Sie wollte wahrscheinlich niemanden provozieren. Auf dem Land gehört sich das nicht, bei nachbarschaftlichen Konflikten die Polizei zu holen. Solche Probleme löst man selbst«, sagte Paul Bremer. Hätte er lieber nicht sagen sollen, fand De-Lange.
    »Na, das war dann ja wohl ein voller Erfolg.« Der Kollege Keil, angefressen. »Wo Frau Winter steckt, wissen wir nicht. Aber es scheint sich nicht um Brandstiftung gehandelt zu haben. Wobei ich mich nicht festlegen möchte.«
    Natürlich nicht.
    »Was war es dann?« Karen, die Liebenswürdigkeit in Person.
    Zeitverschwendung, dachte DeLange. Polizeioberkommissar Keil ist ein harter Knochen. Ein echter Hesse eben.
    »Eine Kerze in einem Zimmer im ersten Stock. Sieht so aus, als ob es das Zimmer des Jungen gewesen wäre. Brennend vom Nachttisch gefallen, in einen Koffer mit alten Plünnen. Die haben’s dann gebracht. Der mutmaßliche Kindesentführer hat dem Kleinen das Leben gerettet. Ist doch schon mal was.«
    Alter Zyniker, dachte DeLange.
    »Außerdem haben wir keine Anzeichen dafür gefunden, daß der Junge gewaltsam festgehalten wurde. Das Zimmer war nicht verschlossen, es gibt noch nicht mal einen Schlüssel, gefesselt war der Kurze ebenfalls nicht, und im Haus konnte jeder ein und aus gehen, ganz wie’s beliebt. Die Hausbesitzerin hat es allen ziemlich leichtgemacht, die ihr was wollten. Wenn ihr überhaupt jemand was wollte.«
    »Aber natürlich wollte ihr jemand was. Ich hab es doch selbst gesehen.« Bremer. Schon wieder. Der hatte, dem Gesichtsausdruck des Kollegen nach zu urteilen, schon mal gar nichts zu wollen.
    »Wirkte der Junge betäubt? Sonstwie gefügig gemacht?« Karen.
    »Das wissen wir erst nach der medizinischen Untersuchung. Auch, ob er mißbraucht wurde. Ansonsten …« Der Kollege hob die Schultern und ließ sie wieder fallen.
    »Ansonsten?« Die gnädige Frau konnte mindestens so kurz angebunden sein wie der gute Kollege Keil. Aber den schien just dieser Ton handzahm zu machen. DeLange hätte fast gelacht. Wahrscheinlich stand der Mann auf dominante Frauen.
    »Ansonsten haben wir Zettel gefunden. Überall. Sogar auf dem Klo.«
    »Zettel?«
    »Zettelkastenzettel. Mit Einkaufslisten, Sprüchen, Gebrauchsanweisungen, was weiß ich.«
    »Ich glaube …« DeLange sah Bremer nervös die Augen zusammenkneifen. Der Mann konnte es einfach nicht lassen.

Weitere Kostenlose Bücher