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Paul Klee - Die Lebensgeschichte

Paul Klee - Die Lebensgeschichte

Titel: Paul Klee - Die Lebensgeschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Weidemann
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gelebt. Immer wieder entdeckt er Ansichten, die er mit Farbe und Pinsel festhalten muss. Gerade hat er sich auf einen Mauervorsprung gesetzt und den Aquarellkasten hervorgeholt – das kostbarste Stück seines Reisegepäcks –, da rollt ein kleiner Pillendreherkäfer seine Dungkugel rückwärts an ihm vorbei. Scarabaeus zambesianus. So selbstverständlich wie der Käfer seine Arbeit erledigt, seine Eier mit Dung ummantelt, damit die Larven nach dem Schlüpfen genug zu fressen haben, geht Paul hier im Süden das Malen von der Hand.

    Bild 7
    Auf seiner Tunesienreise ist Paul fasziniert von dem Licht des Südens. Hier entdeckt er die Farben für sich und malt Bilder, die an die bunten Teppiche auf den Märkten der orientalischen Städte erinnern.
    Am Wochenende nimmt Jäggi Kind und Kegel mit in sein Landhaus in St. Germain, einen Vorort von Tunis. Paul gehen fast die Augen über beim Anblick der Villa im südfranzösischen Stil. Und das Beste: Sie liegt direkt am Meer! August und Louis spannen als erstes die Hängematten im Garten auf und lauschen friedlich dem Schlagen der Wellen. Doch Paul ist nicht mehr zu halten, er muss unbedingt sein erstes kühlendes Seebad nehmen.
    Das Wochenendhaus ist der perfekte Ort, um im Garten oder
auf der Terrasse Aquarelle zu malen. Die exotische Natur, die glühende afrikanische Landschaft und dieses wahnsinnig intensive Licht, alles wird Paul zur Inspiration. Den warmen Frühlingsabend verbringt er mit Louis und August am Strand, als ein riesiger kugelrunder Vollmond am Himmel erscheint. Unbeschreiblich, unvergesslich. Paul weiß: Dieser Abend wird sich ihm tief einprägen, für immer.
    »Die Farbe hat mich«
    Zu Beginn der nächsten Woche geht die Tunesienreise weiter, mit dem Zug nach Hammamet und durch eine immer karger werdende Natur weiter nach Kairuan. Für Paul ist dieses Heiligtum des Islam der absolute Höhepunkt. Im Jahr 671 ließ Uqba ibn Nafi, ein Anhänger des Propheten Mohammed, auf seinem Eroberungszug gen Westen mitten im Nirgendwo ein Heerlager aufschlagen und eine Moschee errichten. Noch heute wirkt Kairuan mit seinen inzwischen unzähligen weißen Kuppelbauten inmitten einer graubraunen Steppenlandschaft wie eine Fata Morgana.
    Mit einem französischen Fremdenführer an ihrer Seite erkunden Paul, August und Louis gut gelaunt die Stadt. Was für ein herrlicher Tag! Mehdi, ihr Führer, besorgt drei Esel, und August macht sich einen Spaß daraus, ihm die unmöglichsten deutschen Worte beizubringen.
    Erste Station ist der mit kostbarem Marmor ausgelegte Vorplatz der Großen Moschee. Den Gebetsraum dürfen nur Muslime betreten, doch da die Tore offen stehen, gelingt es Paul, einen Blick auf die prächtige Zedernholzkanzel zu werfen. Weiter geht’s durch die Gassen der verwinkelten Altstadt. An fast jeder Straßenecke gibt es etwas zu entdecken: hier der Schlangenbeschwörer, da eine blinde Sängergruppe, dort eine Ansammlung von Menschen, die mit großem Tumult eine Maus mit dem Schuh erschlagen. Im nächsten Straßencafé gesellen sich Paul, Louis und August zu ein
paar Mühle-Spielern, die in ihre Partie vertieft sind.
    Paul löscht seinen Durst und kostet einige Röllchen Makroudh, diese zuckersüßen Leckerbissen, die Mehdi am Tresen bestellt hat. Er holt seine Aquarellfarben hervor und befestigt ein Blatt Papier mit Gummibändern auf einem Holzbrett. Paul trägt leuchtendes Gelb auf für den in der Sonne brennenden Sand, Hellblau und Violett für den Himmel, lässt die Farben an manchen Stellen verlaufen, an anderen überlagern. Im Hintergrund spart er Farbe aus, sodass die weiße Kuppel der Moschee aus dem Bild herausleuchtet. »Vor den Toren von Kairuan«, so will er das Bild nennen.

    Bild 8
    Kairuan, ein Ort wie im Märchen: »Tausendundeine Nacht als Extrakt mit neunundneunzig Prozent Wirklichkeitsgehalt«, schreibt Paul in sein Tagebuch.

    Er lehnt sich zurück, löst die Gummibänder. Eine glückliche, zeitlose Stunde. »Ich lasse jetzt die Arbeit«, schreibt er in sein Tagebuch. »Es dringt so tief und mild in mich hinein, ich fühle das und werde so sicher, ohne Fleiß. Die Farbe hat mich. Ich brauche nicht nach ihr zu haschen. Sie hat mich für immer, ich weiß das. Das ist der glücklichen Stunde Sinn: ich und die Farbe sind eins. Ich bin Maler.«
    Zurück in Tunis packt Paul seinen Koffer, kauft noch einige Geschenke und macht sich auf den Weg zum Hafen. Louis und August bleiben noch einige Tage, doch Paul ist erfüllt von den vielen Eindrücken. Es

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