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Paul, mein grosser Bruder

Paul, mein grosser Bruder

Titel: Paul, mein grosser Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hakan Lindquist
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müssen uns ja nicht an irgendwelche Zeiten halten. Wolltest du ins Schwimmbad ?«
    Ich nickte.
    »Wir können unsere Badesachen mitnehmen und dann gemeinsam zum Schwimmbad fahren. Nachdem wir auf dem Friedhof waren. Das wäre doch schön? Wir haben schon so lange nichts mehr gemeinsam unternommen. Wir drei.«
    »Klar. Das können wir machen«, antwortete ich.
     
    Der Grabstein war fast quadratisch; klein und schwarz. Fast unansehnlich.
     
    PAUL LUNDBERG
    15 Jahre
    *
    DÖDERHULT
     
    Kein Geburtsjahr. Kein Todesjahr. Aber es war das Grab meines Bruders.
    »Aber hier steht ja schon ein Strauß Blumen !« , rief Mama verwundert aus. »Irgendjemand muss sie heute hierher gestellt haben. Das Wasser geht ja fast bis zum Rand .«
    »Vielleicht war es Großmutter«, sagte Papa und hockte sich vor den Stein. »Oder deine Eltern.«
    »Nein, das glaube ich nicht. Wenn jemand von ihnen hierhergekommen wäre, hätten sie es uns doch erzählt. Meinst du nicht ?«
    »Vielleicht war es Daniel«, schlug ich vor.
    »Ja, kann schon sein .«
    Papa pflanzte die Blumen ein, die Mama gekauft hatte, stand auf und bürstete die Erde von seinen Händen.
    »Stell dir vor, achtzehn Jahre ist er schon tot«, murmelte Mama. »Es wirkt noch so nahe. Als wäre es erst vor Kurzem passiert. Findest du nicht, Stefan ?«
     
    Wir lagen draußen auf der Klippe und sonnten uns.
    »Puh, ich halte es nicht mehr aus«, sagte Mama und stand auf. »Es ist viel zu warm. Ich muss wieder ins Wasser. Kommt jemand mit ?«
    »Ich warte noch«, sagte Papa.
    »Ich auch.«
    Ich schloss die Augen und lauschte den Geräuschen um mich herum: Kinder, die lachten oder schrien, Radios, die irgendwelche Sommersendungen plärrten. Entfernt hörte ich einen aufheulenden Bootsmotor. Und ich dachte an den letzten gemeinsamen Tag von Paul und Petr.
    »Du ?« , fing ich an.
    »Ja?«
    »Weißt du, ob hier in der Stadt irgendeine tschechische Familie wohnt ?«
    Papa öffnete kurz die Augen.
    »Eine tschechische Familie. Ja, sicher. Die, die immer im Saga-Kino arbeitet, kommt aus der Tschechoslowakei. Wie heißt sie noch? Ludmilla, glaube ich. Sie ist mit einem Schulkameraden von mir verheiratet .«
    »Nun, ich meine irgendeine tschechische Familie «, sagte ich.
    Er dachte einen Moment nach.
    »Nun, niemand, den ich kenne auf jeden Fall. Nicht mehr.«
    »Was meinst du ?«
    »Vor ziemlich vielen Jahren hat unten im Hafen ein tschechischer Mann gearbeitet. Adam hieß er. Er und seine Familie kamen aus der Tschechoslowakei. Aus Prag, glaube ich .«
    »Wie hieß er weiter, dieser Adam ?«
    »Daran kann ich mich nicht erinnern. Er hatte einen ziemlich komplizierten Namen. Sha ... Sho ... Sho ř e ... Ja, genau. Sho ř elý hieß er. Allerdings ist das falsch ausgesprochen. Ich habe nie gelernt, seinen Namen richtig auszusprechen. Er wurde meistens Adam gerufen. Aber Shořelý war's. Adam Shořelý.«
    Mama kam zurück. Sie setzte sich neben Papa und begann, ihre Haare abzutrocknen.
    »Worüber sprecht ihr ?« , wollte sie wissen.
    »Adam Shořelý «, antwortete Papa. »Kannst du dich an ihn erinnern ?«
    »Na, nicht richtig. Aber mir kommt der Name bekannt vor .«
    Papa setzte sich auf. »Aber du kannst dich doch an ihn erinnern ?« , fing er an. »Ein ganz umgänglicher Kerl. Der immer eine Schirmmütze getragen hat .« Dann änderte er seinen Tonfall.
    »Es war doch sein Haus, das abgebrannt war, draußen in Saltvik. Erinnerst du dich nicht? Dabei kam doch eine Person ums Leben. Aber er, Adam, schaffte es. Erinnerst du dich nicht? Er arbeitete unten im Hafen. Aber nach dem Brand sind sie nach Kalmar gezogen .«
    »Ja«, antwortete Mama zögernd, »ich glaube, ich erinnere mich .«
    Ich hatte begonnen zu frieren. P.S . So hatte Petr seine Briefe beendet. Und ich hatte mich die ganze Zeit gefragt, warum er nie irgendein Postskriptum schrieb.
    »Wann ist das passiert ?« , fragte ich und versuchte, belanglos zu klingen.
    Papa dachte nach.
    »Na, das ist schon lange her. Das muss vor deiner Geburt gewesen sein .«
    Er drehte sich zu Mama. »Ich glaube, das war 1969 .«
    Ich setzte mich auf und legte mir das Handtuch um die Schultern.
    »Das gleiche Jahr, in dem Paul starb ?« Ich flüsterte fast.
    »Ja, stimmt .«
    »Kanntest du ihn ?«
    »Adam? Nein, das kann ich nicht gerade behaupten. Wir grüßten einander für gewöhnlich unten im Hafen. Aber wir haben nie zusammen gearbeitet, so ... «
    Es dauerte eine Weile, bevor ich es wagte fortzufahren. »Du hast gesagt, sein Haus brannte ab

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