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Paul, mein grosser Bruder

Paul, mein grosser Bruder

Titel: Paul, mein grosser Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hakan Lindquist
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begann Daniel. »Manchmal, wenn man glaubt, etwas vergessen zu haben, kommen die alten Erinnerungen wieder über einen. Man meint, es überwunden zu haben. Man glaubt ... dass die Vergangenheit keine Rolle mehr spielt. Aber das ist falsch. Das ist so was von falsch! Denn früher oder später holt sie einen ein. Und dann erinnert man sich. Und das Vergangene ist überhaupt nicht mehr vergangen, erledigt und vorbei .«
    Er verstummte. Sein Gesicht war völlig reglos; sein Blick ging durchs Zimmer und hinaus aus dem Fenster, ohne irgendetwas anzusehen. Wie Paul auf dem Schulfoto; anwesend, aber nicht da.
    »War Paul Prinz ?« , fragte ich.
    Daniel nickte.
    »Wer nannte ihn Prinz ?«
    Daniel beugte sich hastig vor und vergrub sein Gesicht in seinen Händen. Einen kurzen Moment dachte ich, er würde anfangen zu weinen. Ich starrte ihn entsetzt an. Aber er richtete sich auf und sah mich an. Er seufzte tief. Seine Augen waren gerötet. »Puh !« , sagte er. »Dein Bruder Paul war einer der besten Menschen, denen ich begegnet bin. Mein Gott, was habe ich ihn gemocht! Und trotzdem wurde er nach seinem Tod zum schrecklichsten Gespenst, das man sich vorstellen kann. Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht an ihn denke .«
    »Was meinst du damit, dass er zum schrecklichsten Gespenst wurde, das man sich vorstellen kann ?«
    Daniel lachte lautlos. »Es klingt vielleicht etwas lächerlich, dass ich das Wort benutze. Natürlich sucht mich Paul nicht in ein weißes Laken gehüllt heim. Nein, er taucht in meinen Albträumen auf. Ich ... ich sollte dir das nicht erzählen ... ich weiß nicht. Aber, verstehst du, es ist, als würde er für das, was geschehen ist, mich anklagen. Als wäre es mein Fehler gewesen. Und ich versuche immer, ihn dazu zu bringen, mir zu erklären, warum ich schuld sein sollte. Aber er antwortet nie. In meinen Träumen. Er sieht mich nur an mit seinen schönen Augen...«
    »Aber warum solltest du schuld an Pauls Tod sein ?« , fragte ich nach einer Weile. »Das verstehe ich nicht. Er wurde doch von einem Zug überfahren. Nur weil er dastand und über irgendetwas nachdachte. Ein Mädel oder so ... «
    Daniel seufzte und sah mich an. »Nein, Jonas, das meine ich nicht. Nicht dafür klagt er mich an .«
    »Wofür dann?
     
    Er schüttelte den Kopf. »Das kann ich dir nicht erzählen. Zumindest nicht jetzt.«
    »Wer nannte ihn Prinz? Das kannst du mir doch erzählen ?«
    »Nein, das kann ich eben nicht. Denn ich weiß es nicht .«
    »Aber ich dachte ... «
    »Ich weiß es nicht, Jonas«, unterbrach er mich.
    »Paul kam eines Tages ... es war einige Tage, bevor er starb, und er war so glücklich. Fast ... fast überdreht.« Er verstummte und ließ seinen Blick über das Bücherregal gleiten.
    »Ich habe ihn an jenem Tag übrigens fotografiert. Ich werde dir das Bild zeigen .«
    Er stand auf und ging langsam zum Regal.
    »Mal sehen«, murmelte er und blätterte in einem Fotoalbum. »Ja. Genau. Hier ist es .«
    Du warst es, Paul; du sitzt in einem Sessel vor dem Fenster. Du trägst deine hellbraune Wildlederjacke. Du verschränkst deine Arme vor dem Bauch; der Riss am rechten Ärmel ist deutlich zu sehen. Und du lächelst auf dem Bild. Deine Augen glänzen, und du schaust direkt in die Kamera.
    »Wie glücklich er aussieht«, sagte ich.
    »Ja, er war tatsächlich glücklich an jenem Tag. Deshalb wollte ich ihn fotografieren. Weißt du, er war nämlich nicht immer so glücklich, dein Bruder. Er fühlte sich häufig ... niedergeschlagen und einsam .«
    »Einsam? Aber er hatte doch jede Menge Freunde. Und jeder mochte ihn .«
    »Ja, das ist wohl wahr. Er fühlte sich trotzdem häufig traurig und einsam. Das kann man auch, obwohl man Freunde hat .«
    »Vielleicht.«
    Mein Blick ging wieder zu dem Foto.
    »Schau !« , flüsterte Daniel. »Siehst du, wie schön er ist. Er hatte so wunderschöne Augen. Wenn er lachte, dann ... «
    »Was dann?«
    »Na ja ... es war ansteckend. Es wurde einem warm ums Herz, wenn er lachte .«
    »So wie wenn man verliebt ist in jemanden?«
    Daniel sah mich an. »Ja«, antwortete er langsam, »so, wie wenn man in jemanden verliebt ist .«
    »Aber warum war er so glücklich an jenem Tag ?«
    Daniel lächelte. »Irgendjemand wurde schwach bei diesem Lächeln. Wegen dieser Augen. Jemand anderes. Das erzählte er mir an jenem Tag. Deshalb kam er hierher. Er wollte mir erzählen, dass er verliebt sei. Dass er jemanden getroffen habe. Deshalb war er so glücklich .«
    »Erzähl mir mehr .«
    »Naja, er

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