Paula geht
suchend um, „auf die Couch.“ Der Nachteil dieser Loft-Wohnungen war, dass der Wohnbereich die ganze Wohnfläche einnahm. Ein Gästezimmer wäre jetzt nicht schlecht gewesen.
„Nein, nein. Bleiben Sie im großen Bett. Ich bin der ungebetene Gast. Ich werde hier schlafen.“
Aber das konnte Paula nicht auf sich sitzen lassen. Sie stürmte in das Schlafzimmer, packte das Bettzeug der Seite, auf der sie geschlafen hatte, und trug es ins Wohnzimmer. „Papperlapapp. Sie schlafen in Ihrem Bett.“ Immerhin meinte sie einen dankbaren Blick zu erhaschen für ihre heldenmütige Tat, denn die Nacht auf dem schwarzen Sofa würde verdammt hart werden.
„Vielen Dank. Ich gehe dann mal kurz ins Bad und versuche morgen früh leise zu sein. Mein Flieger startet bereits um sieben Uhr.“ Paula nickte.
Sie hörte dem Gurgeln der Toilette und dem Rauschen der Dusche zu. Ausgerechnet jetzt musste sie auch auf die Toilette. Von mal kurz ins Bad gehen konnte langsam keine Rede mehr sein. Endlich, der Rasierer hörte auf zu knistern und sie machte sich schon mal auf den Weg. Für das horrende Geld, das die Hugendubels hier ganz bestimmt zahlten, sollte doch eine Gästetoilette drin sein. Aber Paula wusste von ihrer Wohnungserkundung, dass es schlichtweg keine gab.
Die Badezimmertür wurde geöffnet und Herr Hugendubel trat im Morgenmantel hinaus. Wieder standen sie zu dicht beieinander. Diesmal trat keiner einen Schritt zurück. Er roch gut, nicht nur nach Rasierwasser, sondern auch so als Mann. Er blickte ihr intensiv in die Augen. Seine Augen waren noch erstaunlich jung. Genauso hatten sie vorhin ab und zu geblitzt, wenn er gelacht hatte. Vielleicht wäre jetzt der Zeitpunkt, endlich mal wieder Sex zu haben, einfach so mit dem Herrn des Hauses. Soweit sie wusste, war das vertraglich nicht ausgeschlossen. Wenn sie nur nicht so dringend auf die Toilette müsste. Und überhaupt. Sie, Paula, hatte keinen Sex. Zumindest konnte sie sich nicht mehr erinnern, wann das das letzte Mal gewesen sein sollte. Sie bewegte sich ein wenig. „Darf ich?“
„Entschuldigung.“
Während Paula auf der Toilette saß, schaute sie auf die beschlagenen Fliesen, Stein Natur matt poliert. Sie stützte den Kopf in die Hände. Was wäre gewesen, wenn sie einmal in ihrem Leben dem Moment nachgegeben hätte? Würde sie sich überhaupt noch wohlfühlen, wenn jemand ihren Körper berührte? In den letzten Jahren hatte sie sicher satte fünfzehn Kilo zugenommen. Auch das war wohl ein Preis gewesen, den sie gezahlt hatte. Als Nachtschwester ist man einfach nicht kompatibel mit dem Leben anderer Menschen. Tatsächlich war jede beginnende Beziehung der letzten Jahre an dieser Tatsache gescheitert.
Und warum hatte sie nicht in den Tagdienst gewechselt? Auf diese Frage hatte sie regelmäßig geantwortet, dass sie keine Lust auf den Stress auf Station tagsüber und die ständige Kontrolle der Ärzte und Schwestern untereinander gehabt hatte. Im Nachtdienst konnte sie deutlich selbstständiger handeln und die wechselnden Ärzte waren auf sie angewiesen, und das wussten sie auch.
Aber das war nur die halbe Wahrheit. In der langen Zeit des Nachtdiensts war sie zum Gewohnheitsmenschen geworden. Ihre Nächte und Tage hatten einen starren Rhythmus, den sie inzwischen brauchte wie die Butter aufs Brot. So konnte sie funktionieren in dem Moloch, der sich Klinik nannte.
Leider hatte sie ein wenig verlernt, im Tageslicht zu leben, denn sie schlief immer weit in den Nachmittag und hatte dann nur wenige Stunden, die ihr bis zur Arbeit blieben. Wie ein Maulwurf war sie schon geworden, bestens bewandert in den unterirdischen Gängen und völlig hilflos der Sonne ausgesetzt. Paula stand auf und spülte. Ach was, wischte sie die unterirdischen Gedanken weg, das werde ich schon schaffen. Schließlich war das Housesitting eine gute Gelegenheit, wieder in ein anderes Leben zu finden, ohne dass gleich jemand hohe Anforderungen an sie stellte.
Zum Glück hatte ihre Mutter die Idee mit dem Housesitting gehabt. Paula klopfte sich jetzt noch auf die Schulter, wie schnell sie reagiert und eine teure Kleinanzeige in der Zeitschrift Landlust und in einem Golfmagazin aufgegeben hatte. „Zuverlässige Krankenschwester betreut in Ihrer Abwesenheit Ihr Heim. Gerne auch Haustiere und den Garten.“ Ihr Beruf strahlte doch immer wieder Seriosität und Vertrauen aus, das war ihr zugutegekommen. Ihr Terminkalender war nun bis November gut gefüllt. So lange hatte sie Zeit zu überlegen, was
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