Pausensnack
steht, oder einem Stift, der noch ausgerichtet werden, einem Glas, das noch poliert werden muss – aber alles ist perfekt.
Dann Zwitschern, schrill, und mein Blick fällt in die rechte Raumecke. Ein verschnörkelter viktorianischer Vogelkäfig füllt sie aus, er ist fast so hoch wie ich. Eine herrliche, dekorative Schmiedearbeit, aber die Bewohner des Käfigs stellen sie noch in den Schatten. Winzige Vögel in allen möglichen Farben hüpfen ebenso geschäftig wie geschwätzig auf den Stangen herum. Ich habe sie wohl aufgescheucht. Eine Idee meines Vaters? Angeblich stehen in vielen Sitzungssälen Aquarien, aber es wäre typisch mein alter Herr, einen anderen Ansatz zu wählen. Mich überläuft ein Schaudern. Unter diesen schönen Federn stecken dürre knochige Körper mit schuppigen Beinen, die in scharfe, durchsichtige Krallen auslaufen. Diese Tiere haben etwas ziemlich Gruseliges an sich; sinnlos umherhüpfende Lebewesen, die ihrem schönen Gefängnis nie entkommen werden.
Und dann sind auf einmal Menschen im Raum. Ich drehe mich um und sehe Sonja mit meinem Vater zum Tisch gehen; hinter ihnen kommen andere. Ich zähle rasch die Köpfe durch, weil ich plötzlich befürchte, dass die Stühle nicht ausreichen werden. Vier Männer, zwei Frauen. Wir haben genug, es bleibt sogar noch einer übrig.
»Lucas hat es nicht geschafft?« Ein älterer Mann mit sehr kurzen grauen Haaren und hervorstehenden Wangenknochen setzt sich ans Kopfende des Tisches. Es ist Mr Levre, einer der wenigen Männer, die noch über meinem Vater stehen.
»Es herrschen extreme Bedingungen«, sagt mein Vater. »Ich schätze, er hängt noch am Flughafen Charles-de-Gaulle fest. Die Schneestürme wirken sich auf die Kontinentalflüge aus.«
»Lässt sich so etwas nicht regeln?«, grollt Levre.
»Nicht einmal Xanthro beherrscht die Wetterkontrolle.« Mein Vater lächelt und setzt sich neben ihn.
»Noch nicht«, schaltet sich ein junger Mann mit dunklen Haaren und Brille ein. Er nimmt sich einen Teller mit Rührei und schüttet ordentlich Ketchup darüber.
Sonja gibt mir ein Zeichen und wir servieren zusammen das Essen und den Kaffee. Levre isst nichts, genauso wenig wie eine nervös wirkende Frau mit grau melierten, zu einer Banane zusammengesteckten Haaren.
»Können wir anfangen?«, flötet sie und blättert in einigen Papieren. »Die letzten Informationen aus Schottland geben Anlass zur Besorgnis. Die Lage zeigt erste Anzeichen, instabil zu werden.«
»Natürlich tut sie das, Mallory«, sagt Levre barsch. »Wozu sonst dieses Meeting? Thompson.« Er sieht den jungen Mann mit der Brille an. »Bringen Sie uns auf den neuesten Stand.«
Thompson säubert seinen Teller Ei mit einem Croissant. »Die Fünf-Quadratmeilen-Zone um die beiden ursprünglichen Freisetzungsgelände im Pentland Hills Regional Park ist nach wie vor intakt«, sagt er mit vollem Mund. »Gelände 1, das Dorf, ist sauber, das zweite Gelände mit Raststätte und Tankstelle ist zu siebzig Prozent sauber; geschätzter Zeitpunkt des Abschlusses heute zehn Uhr.«
»Was ist mit Gelände 3, der Burg?«, fragt Levre. »Und mit der Unfallstelle?«
Thompson schlürft an seinem O-Saft und wischt sich den Mund mit einer Serviette ab. »Die Bedrohungslage bei der Burg wurde beendet und es wurde mit der Säuberung begonnen, wobei die Fertigstellung zum Einbruch der Dunkelheit erwartet wird. Und ja, dann gibt es noch den Bus im Wald, unser neues Gelände 4. Soweit sich sagen lässt, sind anfänglich ein paar durchs Netz gegangen, aber inzwischen dürften wir das Einsammeln fast geschafft haben.« Er lehnt sich zurück und lächelt. »In gewisser Weise ist es ganz praktisch, dass ein paar geflohen sind. Wir haben alle im Auge behalten und überwachen können. Faszinierend. Wir kommen wirklich gut voran.«
»Es gibt Flüchtlinge? Noch zusätzlich zum Verlust von Osiris 17!« Levre funkelt ihn an. »Das nennen Sie gut vorankommen?«
Der junge Mann zuckt mit den Schultern. »Wir haben Osiris Red sichergestellt, was keine schlechte Leistung darstellt. Falls Osiris 17 wirklich existiert und nicht vernichtet wurde, brauchen wir nur nach Dr. Lindsey zu suchen. Wenn sie den Busunfall überlebt hat, dann finden wir sie auch.«
»Was in aller Welt hatte sie überhaupt in dem Bus zu suchen – steht das inzwischen fest?« Levre schüttelt den Kopf. »Sie haben es eindeutig nicht geschafft, alle im Auge zu behalten.«
»Sie wird von allein zu uns kommen«, sagt die zweite Frau. »Ich weigere
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