Paxson, Diana L.
hätte an Drustan gehen sollen, doch er erwählte einen anderen Weg. Du hast es geschafft, daß ich mich fühle, als könne ich das Reich erobern, doch eines Tages werde auch ich ins verborgene Reich gerufen, um dort mit Artus zu regieren. Wirst du mir ein Kind gebären, das mein Nachfolger in Kernow sein wird?«
Ich blinzelte, denn ich sah die Mutter mit ihrem Sohn, und sie lächelte mich an.
»Hier ist das Becken des Lebens, mein Gemahl…« Ich führte seine Hand.
Er deckte mich wie ein sich bäumender Hengst, ein springender kapitaler Hirsch, ein die mächtigen Schwingen spreizender Adler. Und ich öffnete mich ihm, um seine Macht zu empfangen.
Wie Blitze aus Gewitterwolken zuckte Leuchten zwischen uns, nahm an Kraft an, bis sich schließlich die Himmelsschleusen öffneten und den heilenden Regen freigaben. In diesem Augenblick kannte ich March bis ins tiefste Wesen, sein Ich prägte sich rückhaltlos in meinen Geist, so wie meines sich in seinen.
Diese Entladung des Fleisches befreite mich. In einer Aufwärtsspirale wirbelte ich empor, jeder Kreis umspannte mehr von allem, was er und ich war.
Ich sah das Turmgemach und Marchs Körper noch mit meinem vereint. Ich sah die Berge von Armorica, neblig im Morgen; ich sah das Meer und das Land Kernow, das aus dem Leib Britanniens wie ein Horn ragte; und ich sah Erin. Ich erkannte die gewaltige Größe der sich drehenden Welt und alles, was sie barg; doch meine gesamte Wahrnehmung war nur die Offenbarung einer einzigen Macht, die ich durch die Vollkommenheit meiner Vereinigung mit March hatte erschauen können…
Wer bist du?
Licht erstrahlte um uns.
»Ich bin die Liebe und die Geliebte; kein Mann ergießt seine Kraft in eine Frau ohne mich, und keine Frau öffnet sich, um seinen Samen aufzunehmen, ohne mich.
Ich bin die Gebärende und das Geborene; kein Kind sucht Geborgenheit bei seiner Mutter, noch opfert sich eine Mutter auf für ihr Kind, ohne mich.
Ich bin das Sterbliche und das Ewige; ohne mich kehrt kein Leib zu den Elementen zurück, und kein Geist zu dem EINEN.
Ich habe viele Namen und viele Gesichter; und ich liebe jedes meiner Kinder. Suche mich im Meer, am Himmel und im Wald, und sie werden dich dort segnen. Suche mich im Gesicht deines Liebsten und deiner Schwester und deines Kindes, und sie werden mich in deinem verehren.
Ich bin der Born der Schöpfung, so wie ich seine Krone bin, und wer mir dient, wird in allen Welten herrschen…«
Da begann der Sturm sich zu legen.
Als die Ewigkeit geendet hatte, lagen March und ich eng umschlungen in der Stille des Morgens und erschauten die Wiedergeburt der Welt.
Nachwort
Geschichte oder Legende?
An der Straße nach Fowey in Cornwall steht ein über zwei Meter hoher Stein mit folgender Inschrift:
DRUSTANUS HIC IACIT
CVNOMORI FILIUS
(Hier liegt Drustanus,
Sohn des Cunomorus)
Im Jahre 1538 zeichnete der Priester John Leland eine dritte Zeile auf, die heute unleserlich ist. Diese verlorene Zeile der Inschrift lautete: CUM DOMINA OVSILLA (Mit der Herrin Ousilla).
Wie Artus' Grabstein zu Glastonbury weist dieser Gedenkstein auf einen historischen Ursprung für eine der großen Legenden Europas hin, und er ist weit überzeugender; denn während die Mönche von Glastonbury politischer und wirtschaftlicher Motive bezichtigt worden sind, ihre Abtei als den Ort von Artus' Grab zu rühmen, war bis in unsere Zeit der ›Tristan-Stein‹ einfach ein Gedenkmal, das ein domnonischer Fürst für seinen Sohn errichtet hatte.
In Wromonocs Bearbeitung einer früheren Vita des heiligen Paul Aurelian (St. Pol von Léon) wird erwähnt, daß König Marcus von Villa Bannhedos, am Fowey gelegen, auch als Conomorus bekannt war. Aber erst als Forscher frühe bretonische Kirchenchroniken zu untersuchen begannen, wurden Conomorus und Drustanus mit Mark und Tristan identifiziert. Gewiß hätte im Mittelalter niemand ein Motiv gehabt, Isoldes Namen dem Stein hinzuzufügen.
Heiligenviten, Ortsnamen und Legenden belegen, daß Mark im sechsten Jahrhundert als ein Herrscher in Cornwall und in der Bretagne bekannt war. In den mittelalterlichen Erzählungen wird Tristans Vater Rivalin genannt. Historisch gesehen war um die Mitte des sechsten Jahrhunderts Fürst der nördlichen Bretagne Riwal, der, so wird überliefert, seine Tochter und seinen Schwiegersohn Meliau, den Sohn Budics von Quimper, tötete und deren Sohn Melor verfolgte und gleichfalls umbrachte. Bevor Melor jedoch getötet wurde, fand er Zuflucht bei Conomorus,
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