Paxson, Diana L.
vom König zurück, der nicht aufwachte, obgleich er ein wenig murmelte und nach mir griff. Auf Zehenspitzen huschte ich zum Fenster und öffnete die Läden. Dieses Gemach befand sich unmittelbar über jenem, in dem Drustan gestorben war, und wie seines blickte es über die Bucht. Die Sterne waren verborgen, die Feuer erloschen, so hörte und fühlte ich mich, als ich es sah, was von den Bergen und Mooren und Weiden zum Meer strömte.
Unverkennbar war das Schlagen der Wellen gegen einen Schiffsrumpf und das Platschen, als ein Anker gelichtet wurde. Ich erkannte das Ächzen des Tauwerks, als unsichtbare Segel gesetzt wurden, das Krachen, als sie sich drehten, und schließlich das gleichmäßige Knarren von Spanten und Takelung, als die Segel sich füllten und das Schiff sich dem offenen Meer zuwandte. Doch die Geräusche schienen mir unnatürlich laut zu sein, als wäre das Schiff näher, als das möglich war, oder als wäre es größer als jedes, das ich je gesehen hatte.
Ich spürte, wie sich die Härchen auf meinen Armen und in meinem Nacken aufstellten, und mußte gegen den Wunsch ankämpfen, die Läden zuzuschlagen und Zuflucht in Marchs Armen zu suchen. Bedeutete es den Tod, dieses Schiff zu sehen? Die Leute in Armorica glaubten das. Doch vielleicht war es anders für mich, die ich mit den Schönen des Verborgenen Reiches getanzt hatte… Und ich wußte, daß die Antwort auf zumindest einige meiner Fragen da draußen auf den dunklen Wellen wartete.
An Samhain öffnen sich die Türen zwischen den Welten, und wer Augen hat, kann sehen…
Ich stieß den angehaltenen Atem in einem langen Seufzer aus. Vom Schmerz über Esseiltes Dahinscheiden betäubt, hatte ich diese tiefere Wahrnehmung nur einen flüchtigen Moment erlangt. Nun bemühte ich mich, die Nerven zu entspannen, die sich gegen den Schmerz verkrampft hatten, um jene Veränderung meiner Wahrnehmung zu erreichen, die mir gestatten würde, in beiden Welten zu wandeln.
Auch das ist etwas, das ich schon oftmals getan habe.
Das Zittern, das kein Schaudern war, durchzog meinen Körper; mir war, als sinke ich, und doch blieben meine Füße fest auf dem Boden. Als ich meine Augen öffnete, sah ich die schimmernden Umrisse eines Schiffes, das ruhig seewärts segelte. Bleiche Gestalten drängten sich an der Reling und blickten zu dem Land, das sie verließen. Doch ich sah zwei, die nicht zurückschauten. Sie hatten einander umarmt und standen am Bug des Schiffes, und ihr ganzes Sein strebte dem offenen Meer entgegen.
Obgleich ich selbst im Turmgemach blieb, wurde mein Blick weiter und klarer. Er folgte dem Schiff, vorbei an der Landspitze von Vanis nach Inis-Sun, der heiligen Insel, wo die Geister begannen, sich in andere Reiche zu begeben. Doch das Paar, das ich beobachtete, segelte weiter. Als seine Passagiere es verließen, wurde das Schiff kleiner, bis es nur noch ein fellüberzogenes Weidenboot war. Trotzdem kam es weiterhin rasch voran. Ich blickte ihm nach, bis das Meer im Dämmern des neuen Morgens wie Perlmutt schimmerte.
Dann legte Dunst sich in Silberschleiern auf das Wasser, und das Boot begann vom Heck zum Bug zu verschwinden.
»Noch nicht!« wisperte ich. »Oh, laß mich doch sehen…«
Da ging die Sonne hinter mir auf und durchdrang den Dunst mit goldenen Strahlen. Ich erschaute ein fernes grünes Land mit früchtebehangenen Obstbäumen und singenden Vögeln, und durch saftige Wiesen flossen kristallklare Bäche. Und ich sah Esseilte und Drustan aus dem Boot auf den hellen Strand steigen.
***
»Branwen…«
Das Gemach war erfüllt von einem leichten, rosigen Schimmern. Mein ganzer Körper prickelte, als ich diese sanfte Glut einatmete, als wäre ich soeben aus dem Schlaf erwacht. Der König rührte sich, und ich ging zu ihm.
»Ich weiß, wo eine ferne Insel liegt, gewiegt von weiß-schwellender Wogen Glimmer…«, wisperte March. »Drustan sang das. Ich glaube, ich habe diese Insel jetzt im Traum gesehen…«
»Auch ich sah sie«, versicherte ich ihm. »Drustan und Esseilte wandeln dort. Als die Söhne Mils das Land eroberten, erzählt man sich in Erin, vertrieben sie die Kinder der Danu, von denen daraufhin viele in den Elbenhügeln Zuflucht fanden. Doch einige segelten übers Meer zu den seligen Inseln. Ich glaube, die beiden, die wir so sehr liebten, haben ihren Weg dorthin gefunden.« Ich beugte mich über ihn und küßte ihn auf die Stirn.
»Es ist Morgen, mein König, und wir sind frei…«
Plötzlich erkannte ich, was ich tun
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