Payback
aller Smartphones. Hawkins hat ein Buch über »Intelligenz« geschrieben, das der amerikanische Medizinnobelpreisträger und Hirnforscher Eric Kandel überraschenderweise bereits zum Klassiker erklärt hat.Wir müssen die neurobiologische Triftigkeit von Hawkins' Thesen hier nicht diskutieren; entscheidend ist, dass Hawkins, der glaubt, menschliches Denken lasse sich vollständig durch Algorithmen erklären, ohne viel Federlesens zugibt, dass unsere Kommunikation mit den modernen Technologien nur funktioniert, wenn wir von der Berechenbarkeit des Menschen ausgehen.
Prognosen durch Analogieschlüsse (also zum Beispiel die Musikempfehlungen bei Apple Genius), sagt er, »sind das Gleiche wie Urteile, die auf Stereotypen beruhen.« 123 Die Computer docken dort in unserem Denken an, wo wir schon selbst wie Computer sind, bei Automatismen und Routinen.Wir erinnern uns an die schmeichelnden Computer und das Experiment mit dem Kopierer. Sie sind Beispiele für solche Stereotypen, die geistlose Handlungen erzeugen. Jetzt wird man digital fortwährend in Stereotypen trainiert, wie komplex und vielfältig ihre Algorithmen auch sein mögen. Das kommt unserer Angst vor Kontrollverlust entgegen. Es führt aber im schlimmsten Fall zu einer neuen Welt, in der wir nicht nur auf Sinnes- und Gedankenreize dressiert werden, wie heute bei der blinkenden SMS, sondern auch bis zu einem gewissen Grad vorausberechnete Handlungen und Gedanken ausführen. Wir werden später sehen, dass das keine Science-Fiction ist, sondern durch die zweite große Welle der Informationsüberflutung - das Echtzeit-Netz - geradezu erzwungen wird.
Fassen wir an dieser Stelle noch einmal zusammen:
Teile der modernen Psychologie und die Neurobiologie haben die Mutter aller unserer Programmierungen geschaffen. Sie ist mit unerschütterlicher Energie dabei, uns zu Kindern einer mentalen Revolution zu erziehen. Sie beurteilt menschliches Denken und Verhalten nach Computersimulationen. Sie verwebt alles mit allem: So wie auf einer Webpage unsere Erinnerungen mit unseren Reiseplänen, unser ökonomisches Verhalten mit unserer Risikobereitschaft, unsere Gesundheit mit unserem DNA-Code verschmelzen, so verflechten sich die Wissenschaften mit den Codes der Software - so sehr, dass Computer in einigen Bereichen der Kognitionswissenschaften und der Psychologie längst als Ersatz für menschliche Testpersonen herhalten müssen. Was man dort entdeckt, wird auf Menschen übertragen. Was man nicht entdeckt, existiert nicht. 124 Der Siegeszug der Technologie wurde damit bezahlt, dass man Penroses Warnung gewissermaßen gegen sich selbst kehrte: Wenn nicht alles in der Welt durch Algorithmen zu erklären ist, dann sorgen wir halt dafür, dass nur noch das in der Welt wahrgenommen wird, was nach algorithmischen Prinzipien funktioniert.
Das Werkzeug hat also den Kopf, der es ersann, umgearbeitet.
In diesem Fall war das Werkzeug im Begriff, nicht nur die Welt, sondern ein Weltbild zu erschüttern - doch die Dramatik begriffen viele erst, als das letzte »missing link«, der letzte und wichtigste Baustein in Gestalt des Internets, sichtbar wurde. Erst seit dem Jahre 2007, als die Anzahl der Internetuser zur kritischen Masse wurde und gleichzeitig Google die algorithmische Intelligenz zur Alltagssache machte, ist das neue Weltbild perfekt.
DIE ÄRA DER SANFTEN UND NÜTZLICHEN HERRSCHER
ls die Maschinen uns überholten«, schreibt der Schriftsteller Simon Ings, »als sie zu komplex und effizient wurden, entzogen sie sich unserer Kontrolle so schnell und sanft und waren so
nützlich
, dass nur ein Narr oder ein Prophet es gewagt haben könnte, sich darüber zu beschweren.« 125
Man kann sich eine Welt ohne Atomkraft und Braunkohle, ohne Autos und ohne Chemie vorstellen, und für jedes dieser Paralleluniversen gibt es starke und vernünftige Befürworter, denn sie alle sind an ihre Grenzen gestoßen. Aber nicht so bei der Vorstellung einer Welt ohne Computer. Das allein zeigt, mit welcher Macht wir es zu tun haben. Die Grenzen dieser Technologie sind deckungsgleich mit den Grenzen unseres Bewusstseins.
Deshalb wirkt sie so stark im Unterbewusstsein.
Noch einmal: Dies ist kein Pamphlet gegen Computer. Die Informationsgesellschaft entwickelt Technologien ohne Alternative, und sie gehört, weil sie sich fast alle zwei Jahre neu erfindet, zum Spannendsten, was unsere Generation erleben kann. Deshalb müssen wir die Anpassung selbst in die Hand nehmen, statt angepasst zu
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