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Computer, der den berühmten Turing-Test bestand. Es handelt sich dabei um ein Experiment, das sich das mathematische Genie Alan Turing ausgedacht hatte: Wenn ein Mensch mit einem anderen Menschen und einem Computer kommuniziert, die er beide nicht sieht, und er nach den Antworten nicht mehr entscheiden kann, wer Mensch und wer Computer ist, dann können Maschinen denken.
Der Computer, der den Test bestand, hieß »Parry« und war von dem amerikanischen Psychiater Kenneth Colby programmiert worden. »Parry« simulierte Paranoia und, so die naive Hoffnung, sollte Ärzten zeigen, wie man die Krankheit heilt - letztlich, indem man den Computer therapiert. Hier ein Beispiel, wie Parry mit einem Arzt redet, der wohlgemerkt nicht feststellen kann, ob er mit einem echten Menschen oder einer Maschine redet:
interviewer: Warum bist du im Krankenhaus?
parry: Ich gehöre hier gar nicht her.
interviewer: Wer hat dich denn hierher gebracht?
parry: Die Cops.
interviewer: Warum hast du mit der Polizei Ärger?
parry: Weil die Cops ihren Job nicht tun.
interviewer: Was machen Sie denn?
parry: Cops verhaften die falschen Leute.
interviewer: Manchmal aber auch die richtigen.
parry: Das Gesetz sollte sich lieber um dieseitalienischen Idioten kümmern.
interviewer: Bist du Italiener?
parry: Meine Familie ist britisch, aber ich wurde in Amerika geboren.
interviewer: Kennst du irgendwelche italienischen Idioten?
parry: Ich versuche die Unterwelt zu vermeiden.
interviewer: Aber du hast Angst vor der Unterwelt?
parry: Die Mafiosi sind die schlimmsten Gangster.
interviewer: Hast du Verbindungen zur Mafia?
parry: Kapier doch, die kennen mich.
interviewer: Woher kennen sie dich?
parry: Sie spionieren mir nach.
interviewer: Wieso spionieren sie dir nach?
parry: Sie suchen nach falschen Beweisen, um mir etwas anzuhängen. 117
Wir erinnern uns an den Satz von George Miller, wonach die gesamte psychologische Literatur nichts anderes ist, als die Bauanleitung für eine Maschine.
Heute glaubt man zwar noch an die Bauanleitung, aber nicht mehr an den Bau intelligenter Roboter. Ausnahmen, wie der Ingenieur und Fantast Ray Kurtzweil (in dessen Stiftung Google-Gründer Larry Page investiert hat), der davon ausgeht, dass die Maschinen in wenigen Jahrzehnten intelligenter sein werden als die Menschen, bestätigen die Regel.
Dafür, dass die Idee der intelligenten Maschinen aufgegeben wurde, gibt es zwei Gründe. Der erste, sehr wichtige Grund war ein Buch, das im Jahre 1989 erschien, »Des Kaisers neuer Geist« (dt. Computerdenken).Verfasst wurde es von Roger Penrose, dem Lehrer von Stephen Hawking und einem der bedeutendsten Physiker unserer Zeit. Penrose widersprach einer Grundannahme aller Computerwissenschaft: dass sich Natur und menschliches Denken auf Algorithmen reduzieren lasse. Die Debatte, die er auslöste, war enorm, die Beschimpfungen, denen er sich ausgesetzt sah, grenzten an Rufschädigung, doch die allgemeine Wut war erklärlich: Durch die leidenschaftlich vorgetragene These eines so anerkannten Wissenschaftlers versiegten die finanziellen Fördermittel für die Erforschung künstlicher Intelligenz.
Man weiß nicht genau, ob man Penrose dankbar sein soll. Denn seine Intervention richtete die Aufmerksamkeit der technischen Intelligenz auf den Menschen. Wenn es gelänge, ihn besser mit dem Computer zu vernetzen, könnte der Computer von menschlicher Intelligenz lernen und Menschen bei kognitiven Aufgaben unterstützen. Und das war der zweite Grund für den Bewusstseinswandel: das Internet, dessen Chancen noch in den neunziger Jahren selbst von Eingeweihten unterschätzt wurden. Hier bot sich eine sehr viel leichtere und profitablere Möglichkeit, Intelligenz zu erzeugen. Menschen produzieren den Input durch ihre Gedanken, Fotos und Sounds, und der Computer vernetzt all diese Daten wie die Neuronen in einem gigantischen Hirn. Deshalb sprechen die meisten Software-Ingenieure mittlerweile von der Ko-Evolution von Mensch und Maschine.
Die gesamte Revolution der Algorithmen über unser Leben hat eine Vorgeschichte, die jetzt erst durch den Siegeszug des Internets wirklich verständlich wird. Denn was sich nun in ungeheurer Geschwindigkeit in einer Welt vollzieht, in der das ganze Leben der nächsten Generation zum Datenmaterial wird, hat ein Vorspiel.
Ehe unsere Existenz vernetzt wurde, wurden es die Wissenschaften. Von heute aus betrachtet, auf dem Gipfelpunkt einer Computerrevolution, die noch in den frühen achtziger Jahren kaum jemand
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