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Uhr den ganzen Kosmos als Uhrwerk und Gott als Uhrmacher gesehen. 112 Der Darwinismus hat die Welt in den Kategorien der indus triellen Gesellschaft erklärt und aus den Fabrikhallen des Viktorianismus, wo Maschinen Teil für Teil zusammengesetzt wurden, ein mechanistisches Bild des organischen Lebens gezogen.
Gott wurde also zum Ingenieur.
»Beinahe ein jeder Teil eines jeden organischen Wesens«, schrieb Darwin über die Organismen, »ist den komplexen Erfordernissen seines Lebens so wunderbar angepasst, dass es nicht minder unwahrscheinlich scheint, dass irgendeines dieser Teile mit einem Schlag so vollkommen geschaffen worden sei, wie es unwahrscheinlich ist, dass ein Mensch eine komplexe Maschine in vollkommenem Zustand erfindet.« 113
Das war, wenn man so will, der rhetorische Trick, mit dem noch einige Jahrzehnte Gottvertrauen in der modernen Gesellschaft möglich war. Auch die Maschinen sind natürlich, sie sind nur ein weiteres Beispiel für Gottes großartiges Design.
Obgleich der menschliche Körper und auch das Hirn also schon lange als Maschinen verstanden wurden, kam jahrhundertelang niemand auf die Idee, das Bild auf das Denken zu übertragen. Als der Vergleich zum ersten Mal auftaucht, ist die Reaktion weithin ein »shock-horror«. Tatsächlich gibt es bis in die dreißiger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts niemanden, der ernsthaft auf die Idee gekommen wäre,
geistige Prozesse
mit der Funktionsweise einer Maschine zu vergleichen. Noch 1960 nannte der amerikanische Neurophysiologe Warren McCulloch, der als Erster auf die Idee eines Vergleichs von Geist und Computer kam, seine Theorie »eine Ketzerei«. 114 Das brauchte niemanden allzu sehr zu interessieren, solange die Theorie nur in wissenschaftlicher Quarantäne der Grundlagenforschung und in den Laboratorien existierte - ähnlich wie die Ergebnisse der Hirnforschung heute. Doch mit dem Siegeszug des PC begann der Siegeszug der Theorie.
»Menschen sind Tiere« war im späten neunzehnten Jahrhundert die Ableitung aus dem Darwinismus, und sie führte dazu, dass wir über unser Hirn und unsere Instinkte über die Erforschung von Tieren verstehen wollten.
»Menschen sind Maschinen«, war dann die Parole in der Ära unserer Großeltern. Und wie der Körper, so wurde auch das Gehirn mit jeder neuen technischen Erfindung mit einem anderen Design versehen und ebenso schnell wieder ausgemustert: Es wurde mit der Dampfmaschine verglichen, mit dem Telegrafen und dem Telefon und in den zwanziger Jahren sogar mit der Jukebox, weil, wie man glaubte, ein Signal im Hirn ausreichte, um eine ganze Platte an Verhaltensregeln ablaufen zu lassen. 115
Am hartnäckigsten hielt sich der - aus heutiger Sicht höchst harmlose - Vergleich mit einer Telefonvermittlungszentrale, der erst in den fünfziger Jahren zögernd aufgegeben wurde.
Seit den siebziger Jahren wird Gott offenbar immer mehr zum Großen Programmierer, und der Computer wird das Werkzeug, an dem wir ablesen, wie wir funktionieren. Und vielleicht ist er sogar, wie manche meinen, das endgültige Bild für den menschlichen Verstand:
»Der Computer ist die letzte Metapher«, schrieb der amerikanische Psychologe Philip Johnson-Laird, »sie wird niemals wieder verdrängt werden.« 116
Der Vergleich unseres Hirns mit dem Computer ist so effektiv, einleuchtend und logisch, dass wir ihn zum Gleichnis unseres Geistes und unserer sozialen Realität gemacht haben: Der menschliche Geist ist ein Computerprogramm. Das ist, auch wenn manche es nicht so unumwunden zugeben, die entscheidende Grundannahme, auf die sich große Teile der heutigen Wissenschaft geeinigt haben.
Wir mögen das nicht akzeptieren. Aber wir werden längst so gelesen, wie Mikrochips die Maschinensprache lesen.
Dass unsere ganze Welt - vom Sportschuh bis zum von der NASA entwickelten »interplanetarischen Internet« - eines Tages mit dem Netz und den Rechnern verbunden sein wird, ist längst keine Vision mehr, sondern greifbare Wirklichkeit.
Aber wir sollten erkennen, wie allumfassend das geistige Konstrukt ist, das hier entsteht.
WIE DAS WERKZEUG SEINEN ERFINDER UMARBEITET
ast kein Computer-Pionier des einundzwanzigsten Jahrhun-derts glaubt mehr daran, in absehbarer Zeit die künstliche Intelligenz der Science-Fiction-Filme zu schaffen. Das war anders in den sechziger Jahren. Damals wurde ausgerechnet von der Psychologie der erste Computer programmiert, der wie ein Mensch kommunizieren sollte. Es war vermutlich der erste und einzige
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