Pearls of Passion: Eine französische Affäre (German Edition)
beschloss: Paris war eine Höllenstadt, geschaffen einzig zu dem Zweck, ihre Bewohner unglücklich zu machen.
Plötzlich kostete sie jeder Schritt mehr Energie, als sie hatte, und als sie endlich den letzten Treppenabsatz vor ihrem Apartment erreicht hatte, fühlte sie sich unendlich matt, geschwächt von diesen entsetzlichen Straßen, der Bürokratie, schrecklichen Geschäften, überfüllten Waggons und schließlich dieser nicht enden wollenden Treppe.
Als sie die Wohnung betraten, war Philippe bereits zu Hause und hatte auf dem Weg von der Arbeit ihre Tochter Manon von der Ferienbetreuung abgeholt. Er sah müde und erschöpft aus, aber versuchte freudig zu wirken, als sie das Wohnzimmer betraten.
Verschwitzt und müde schlüpfte Valérie aus ihren Schuhen, die immer noch nach Hundedreck rochen. Wenn die Kinder im Bett waren, würde sie versuchen, sie sauber zu machen.
Mathieu sank auf den Fußboden und begann zu weinen.
Rasch stellte Valérie ihre Einkaufstüten ab und ging ins Badezimmer. Vielleicht würde sie sich ja nach einer Dusche besser fühlen. Sie rief Philippe zu: “Wie wäre es nachher mit einem Glas Wein, Liebling?”, und schloss die Tür hinter sich.
Sie zog sich aus und ließ ihre Kleidung achtlos auf den gefliesten Boden fallen. Als sie das Wasser anstellte, fing es in den veralteten Leitungen sofort an zu klopfen und zu rauschen.
Die Dusche spülte zumindest einen Teil des Stresses fort, den der Tag in Valérie hinterlassen hatte. Als sie, in einen weichen Bademantel gehüllt und sich mit einem Handtuch die Haare trocknend, das dampfende Bad verließ, hatte Mathieu sich beruhigt. Auf dem Fußboden hatte er ein Spielzeug entdeckt, mit dem er jetzt selbstverloren spielte.
Sie setzte sich an den Küchentisch und lächelte Philippe zu. Müde lächelte er zurück und reichte ihr ein Glas Bordeaux. Entgegen ihrer Gewohnheiten stießen sie an und sagten wie aus einem Munde: “Santé”. Auf bessere Tage, dachten sie beide wohl insgeheim.
Valérie nahm einen großen Schluck, während sie mit der anderen Hand fortfuhr, ihr Haar trocken zu rubbeln. Sie seufzte tief, dann fragte sie: “Und, wie war dein Tag?” Sofort wünschte sie, sie hätte nicht gefragt.
Philippe verdrehte die Augen und schüttelte den Kopf. “Politik, Politik”, sagte er müde. Sie fragte nicht nach Details, und er erzählte ihr keine. Wie bei so vielen lang verheirateten Paaren bestanden ihre Unterhaltungen gern aus Wiederholungen.
Schweigend nippten sie an ihrem Wein.
Sie hatten sich an der Universität in Paris kennengelernt. Valérie stammte aus dem Süden, aus der Provence, Philippe kam aus der Bretagne im Norden des Landes. Sie war zierlich, mit olivfarbener Haut und einer Flut von schwarzen Locken, er war blond, sehr schlank und hellhäutig. Sie war emotional, spontan und von hitzigem Temperament, er war kühl, überlegt und intellektuell.
Gegensätze ziehen sich an, und als jung verliebtes Paar hatten sie für sich die Stadt erobert. Zusammen waren sie quer durchs Land zu ihren Familien gefahren. Ihre Liebe basierte nicht zuletzt auf dem Spaß, den sie beim Reisen hatten, und in kleinen abenteuerlichen Entdeckungen, die sie dabei machten. In letzter Zeit dachte Valérie häufiger, dass ihre Ehe sich nicht gerade zum Vorteil verändert hatte, seit diese Reisen weggefallen waren.
Nach ihrer Hochzeit arbeitete Valérie als Bibliothekarin in einer öffentlichen Bücherei, während Philippe einen Job beim Außenministerium bekam. Er war smart und stieg rasant auf, und bereits innerhalb eines Jahres erhielt er einen Posten im französischen Konsulat in Kopenhagen. So begann ihr internationales Leben: Von Kopenhagen zogen sie nach Los Angeles und von dort nach Hong Kong. Es war aufregend und exotisch, und Valérie musste sich um wenig mehr kümmern als um ihre Kleidung und wie ihre Wohnung eingerichtet war.
Sie hatten Glück: Wo immer sie hinzogen, befand sich die Politik in ruhigen Gewässern.
Aber neue Lebensabschnitte brachten neue Herausforderungen. In Vancouver, Philippes letztem Posten im Ausland, wurde Valérie schwanger. Sie hatten eine Familie gewollt, aber sowohl diese erste, als auch die zweite Schwangerschaft ein paar Jahre später waren schwierig und die Geburten nicht minder. Auch danach wurde es nicht einfacher, denn beide waren unerfahren in Kindererziehung. Valérie mit ihrem empfindsamen und instabilen Wesen ging der Vierundzwanzig-Stunden-Job zunehmend an die Nieren. Viele kleine Krisen waren das
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