Pechvogel: Roman (German Edition)
Lucky Charms, während ich für meinen aktuellen Fall recherchiere. Das bedeutet: eine Menge Surfen im Netz, Kaffeetrinken und Aus-dem-Fenster-Schauen – dem einzigen in dieser Abstellkammer, die ich mein Büro nenne.
Eine klassische Fehldarstellung von Privatdetektiven in der Literatur ist ihr glamouröses Leben voller Mysterien, Intrigen und verführerischer Femmes fatales. Ein Leben voller Mord, Erpressung und Korruption. An jeder Ecke Vermisstenfälle, gestohlene Artefakte und Tarnidentitäten.
Kein Wunder, denn niemand würde etwas darüber lesen wollen, was Privatdetektive wirklich tun. Über Vorladungen vor Gericht etwa, Versicherungsbetrug und das Durchleuchten von Konzernen. Das Aufspüren säumiger Schuldner, die Untersuchung von Urheberrechtsverletzungen und die Spurensuche am Computer. Darüber, den Großteil des Tages in einem schäbigen Büro zu verbringen und im Internet zu recherchieren.
Gähn.
Aber das ist die Realität. Genau das machen die meisten Privatdetektive heutzutage, um sich ihre Brötchen zu verdienen. Einige spezialisieren sich auf ein bestimmtes Feld, während andere sich an zwei oder drei davon versuchen, aber geschossen wird auf niemanden. Niemand trifft sich in dunklen Gassen. Niemand hat Sex mit Lauren Bacall.
Das gilt zumindest für mich.
Ich beschäftige mich meistens mit Versicherungsfällen, Betrügereien, frustrierten Kreditgebern und Ehebrüchen. Auch ohne das Schuldprinzip bei Scheidungen ist Untreue nach wie vor die lukrativste Quelle für viele Detektive. Indiskretionen von Ehepartnern eignen sich hervorragend als Hebel beim Streit um das Sorgerecht, den Unterhalt und die Aufteilung des Eigentums.
Offenbar geht es den meisten Paaren bei der Sache mit den guten und den schlechten Tagen vor allem um Letzteres.
In jüngster Zeit erhalte ich allerdings immer häufiger Anrufe von Menschen, die mich bei einer ganz anderen Sache um Hilfe bitten: dabei, ihr gestohlenes Glück zurückzuholen.
Ein halbes Dutzend Mal in den letzten Monaten haben mich potenzielle Klienten angerufen, die mich anheuern wollten, um ihr Glück zu finden. Ich rede hier nicht über Jugendliche und Telefonstreiche. Auch nicht von Obdachlosen oder Geisteskranken, die ihre Medikamente abgesetzt haben. Es waren normale, durchschnittliche Menschen, die ein schönes, von Glück erfülltes Leben führten und für die sich das Blatt in den meisten Fällen zu ihren Gunsten wendete.
Bis eines Tages etwas schiefging.
Sie verloren wichtige Kunden. Hatten einen Autounfall. Entdeckten einen Termitenstaat in ihren Wänden. Vielleicht musste einer von ihnen für eine Wurzelbehandlung zum Zahnarzt. Ein anderer fuhr an der Börse hohe Verluste ein oder wurde zum ersten Mal seit Jahren krank.
Den meisten dieser Anrufer diagnostiziere ich nur eine Überreaktion auf die üblichen Hochs und Tiefs des Lebens. Es sind normale Dinge, die normalen Menschen eben passieren. Selbst wenn du als Glückspilz auf die Welt kommst, gibt es keine Garantie dafür, dass du immer deinen Willen bekommst. Manchmal geht einfach etwas schief.
Aber diese Leute rufen mich an, weil sie glauben, dass ihnen das Leben, das sie bisher führten, irgendwie zustünde und dass es nur eine mögliche Erklärung für die Unglücke gäbe, die ihnen nun zugestoßen sind: nämlich die, dass jemand ihnen ihr Glück gestohlen hat. Das glauben sie wegen dieser Medienberichte über Glückswilderer. Über Menschen, die die Fähigkeit besitzen, anderen ihr Glück zu stehlen.
Es handelt sich dabei nicht um eine Geschichte, die von seriösen Zeitungen, überregionalen Magazinen oder Nachrichtensendern verbreitet werden würde. Im Wall Street Journal, der Newsweek oder auf CNN erfährt man nichts darüber. Es ist eher eine Art moderner Legende, ein Mythos aus der Popkultur, mit dem sich die Regenbogenpresse beschäftigt.
Der Stoff für einen Bericht in einem Boulevardblatt, das auch Elvis lebt! meldet. Für einen Beitrag im Frühstücksfernsehen, gleich nach den Promi-News. Oder für eine Folge von Jerry Springers TV-Talkshow.
»Unser Thema heute: Mein Ex-Mann hatte Sex mit einer Glückswilderin!«
Diese Medienorgane zweifelhaften Rufs beschreiben, wie die Diebe das Glück normaler Menschen stehlen, es für Tausende von Dollars auf dem Schwarzmarkt verkaufen und so eine unkontrollierbare Subkultur des Glückshandels erschaffen haben.
Manche behaupten, Glückswilderer seien Außerirdische. Andere halten sie für genetische Mutanten. Etwas paranoidere
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