Pedro Juan Gutiérrez
vollbepackt mit Hühnern, Schweinen und Schafen, mit Säcken voller Reis und allen möglichen anderen Nahrungsmitteln zurück nach Havanna fuhren. Der einzige Idiot mit leeren Händen war ich. Scheiße, verfluchte, jedes Mal, wenn ich daran dachte, hatte ich Lust, meinen Kopf gegen die Wand des Waggons zu schlagen. Ich hatte einfach nicht richtig gesucht. Irgend etwas hätte ich auftreiben müssen, Zitronen, Orangen, irgendwas, um wenigstens die Fahrtkosten zu decken. Wir fuhren wieder in den Dschungel ein. Gedrängel, Tritte, Stöße.
Mit steifen Gliedern, abgestumpft und ängstlich krochen wir aus unserem Käfig, um wieder den Kampf nach den Gesetzen des Dschungels aufzunehmen. Dabei hatten wir nicht die geringste Ahnung vom Dschungelkampf. Trotzdem mussten wir ihn aufnehmen. Fünfunddreißig Jahre lang waren wir in Zookäfigen eingesperrt gewesen. Man hatte uns ein bisschen Essen und etwas Medizin gegeben, aber wir hatten nicht die geringste Idee davon, wie's auf der anderen Seite der Gitterstäbe aussah. Und jetzt ein plötzlicher Sprung in den Urwald, mit eingeschläfertem Gehirn und schwachen, abge-schlafften Muskeln. Nur die Besten vermochten sich dem Dschungelleben zu stellen. Ich versuchte es, mit aller Kraft. Mit sehr viel Kraft.
Der Zug kam im Morgengrauen an. Ich wohne in der Nähe des Bahnhofs. Ich erklomm die Treppen bis zum achten Stock, so gut ich konnte, wankte in mein Zimmer und warf mich aufs Bett, um zu schlafen. Ich hatte einen Albtraum: Ein Typ, der ich selbst war, kam mit einem Messer auf mich zu und schnitt ein Steak aus meinem Bauch heraus. Der Kerl redete ununterbrochen, aber ich hörte ihm nicht zu. KeineAhnung, was er sagte. Zugleich schrie ich vor Schmerzen, wenn er mir ein Stück herausschnitt. Es floss kein Blut, da waren nur ein paar schöne rote, frische Filets, und ich schrie. Dann wachte ich auf. Jemand bollerte an der Tür. »Pedro Juan! Pedro Juan!«
Es war Caridad, hysterisch ihren kleinen Jungen an der Hand hinter sich her zerrend. Es war fünf Jahre her, seit wir uns getrennt hatten, und wir haben diesen sechs Jahre alten kleinen Sohn. Sie ist eine heißblütige schwarze Schönheit. Lazarito ist Mulatte, aber de luxe. Mit seinen sechs Jahren wirkte er wie zehn. Er hatte das Beste von uns beiden geerbt, was ich übrigens schon früher einmal gesagt habe. Caridad fegte ins Zimmer und ließ mich gar nicht zu Wort kommen. Seit einem Jahr lebte sie mit einem weißen Zuhälter und Playboy. Sie mag keine schwarzen Männer. »Ich habe Roberto dabei überrascht, wie er Lazarito einen blies! Dieses Arschloch lutschte seinen Schwanz und spielte mit ihm! Du musst ihn umbringen, Pedro Juan! Du musst ihn umbringen, verdammte Scheiße! Er ist eine Schwuchtel und will, dass auch mein Sohn eine wird!« »Warte, ganz ruhig jetzt. Setz dich und erzähl mir, was geschehen ist.«
»Und du stehst da, als ob überhaupt nichts passiert wäre? Hast du keinen Mumm, Mann?«
»Doch. Aber was ist nun passiert?«
»Nichts, gar nichts, einen Scheißdreck werde ich dir erzählen. Ich ging früh aus dem Haus und kam rasch wieder. Er erwartete mich erst später. Da habe ich ihn erwischt. Ich warf ein Küchenmesser nach ihm, verfehlte ihn aber. Ohhh, ich hätte ihn erstechen sollen! Der Junge schlief noch halb in seinem Bett, und Roberto lutschte ihm den Schwanz und wichste ihn.«
Lazarito sah erschrocken aus der Wäsche und weinte. »Ich gehe jetzt zur Polizei und zeige ihn an wegen Verführung Minderjähriger! Dieses Arschloch! Ich werde nicht eher ruhen, bis er im Gefängnis sitzt.«
Dann wandte sie sich dem Kind zu und zerrte seinen Arm. »Und du sollst verdammt noch mal ein Mann werden! Warum hast du das mit dir machen lassen? Los, sag's mir, warum hast du das mit dir machen lassen?« Lazarito rannen die Tränen übers Gesicht. »Hör auf zu flennen, verdammt noch mal, Männer heulen nicht. Du bist ein Mann, also hör sofort auf zu heulen!« Und sie ging, den Jungen hinter sich her ziehend. »Geh hin und schlag ihn zusammen, Pedro Juan! Geh hin und bring ihn um! Ich gehe zur Polizei.« Ich bin weder hingegangen, noch habe ich ihn umgebracht. Ich schlief weiter bis zum Abend. Mit dem Hunger eines Löwen stand ich auf. Ich wollte duschen und dann ausgehen, um etwas zu essen. Aber da kam Caridad zurück, noch genauso hysterisch. Sie hatte sich kein bisschen beruhigt und zerrte Lazarito immer noch hinter sich her. »Du verdammter Versager! Von heute an ist Lazarito nicht mehr dein Sohn! Du setzt dich ja
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